NRZ: Die Entzauberung der Piratenpartei – ein Kommentar von THEO SCHUMACHER

Der Aufprall ist hart, die Entzauberung in vollem
Gange. Bundesweit stürzen die Piraten in allen Umfragen ab. In NRW,
im Parlament des größten Bundeslandes, spiegelt sich der
Abwärtstrend. Das politische Leck im Piratenschiff war immer da. Aber
erst jetzt, da sich die Neulinge im grauen Alltag beweisen müssen,
wird die ganze Schieflage sichtbar.

Heute zeigt sich, wie sehr ihr Einzug in den Landtag von Zufällen
abhing. Getragen vom Reiz des Neuen und vermeintlich
Unkonventionellen, begünstigt vom grauen Erscheinungsbild der
Linkspartei und verhätschelt von vielen Medien, waren die Piraten zum
richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz. In NRW wurde im Mai gewählt,
ihre Kandidatur zum Selbstläufer. Dann folgte schnell die
Ernüchterung.

Ihre Erwartung, es werde einfach so weitergehen, war trügerisch.
Die Hoffnung ihrer Wähler auf frischen Wind im miefigen Politbetrieb
hat sich nicht erfüllt. Den selbsternannten Freibeutern fällt
inhaltlich zu wenig ein. Auf Dauer sind Transparenz und der Anspruch
radikaler Twitter-Öffentlichkeit eben zu wenig, um mithalten zu
können. Die Linke wurde stets misstrauisch beäugt – verglichen mit
den harmlosen Piraten, die kaum wahrgenommen werden, war gerade sie
ein politisches Kraftfeld.

Ihr Verzicht auf Fraktionszwang und ein verqueres Verständnis von
Meinungsfreiheit machen es den Politikanfängern zusätzlich schwer:
Jeder tut, was er will. Pleiten und Pannen häufen sich. Eine
Abgeordnete stöhnt öffentlich über lange Plenartage, die sie sich mit
immerhin monatlich 10 700 Euro Schmerzensgeld auf
Steuerzahlerkosten versüßen lässt. Ein Kollege vergleicht den
Verfassungsschutz mit der Gestapo und der Staatssicherheit der DDR.
Wo ist der Fraktionschef, der einschreitet?

Machen die Piraten so weiter, werden sie nach einer
Legislaturperiode vergessen sein. Eine Laune des Zeitgeistes. Sie
haben es selbst in der Hand, damit es anders kommt. Dazu benötigen
sie aber vor allem Disziplin – und die Einsicht, dass fachpolitische
Kompetenz hart erarbeitet sein will. Schaffen sie das nicht, werden
ihre Wähler sagen: Sorry, war nur so eine Idee.

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