Ist Kosovo reif für die volle Unabhängigkeit? Es ist
die alte, falsche Frage. Es gibt auf der Welt kein
Reifeprüfungskomitee, das einem Volk da irgendwelche Zeugnisse
erteilen könnte. Souverän wird man, indem man sich dazu erklärt, und
nicht, weil jemand anders einen dafür hält. Dass Demokratie und
Rechtsstaat im Kosovo schlecht funktionieren, ist kein zulässiges
Gegenargument. Bosnien, Mazedonien, Albanien, Kosovo: Im Lehrfach
Demokratie haben sich die Zöglinge der neuen europäischen
Erziehungsdiktaturen allesamt als schwach erwiesen. Das ist kein
Wunder, denn ihre Lehrer haben ihnen das Gegenteil von dem
vorgemacht, was sie gepredigt haben. Kosovo ist dafür ein besonders
trauriges Beispiel. Um sich in dem fremden Land durchsetzen zu
können, haben die ausländischen Verwalter im Kosovo sich jahrelang
auf obskure Mächtige gestützt, ganz wie die Vizekönige im kolonialen
Indien. Wenn überhaupt jemand mit den so herangezüchteten Figuren
fertig wird, dann nur die Kosovaren selbst.
Aber nicht erst eines fernen Tages wird sich erweisen, dass die
volle Unabhängigkeit ein Segen ist. Schon jetzt soll und muss die
Regierung in Prishtina Verantwortung übernehmen und sich selbst um
eine Verständigung mit Belgrad bemühen. Niemand kann garantieren,
dass sie fair und menschlich mit der serbischen Minderheit umgeht,
das stimmt. Aber wenn sie souverän ist, muss sie für ihr Tun auch die
Verantwortung übernehmen und notfalls erfahren, dass die
internationale Hilfe dann ausbleibt. Solange die Ausländer das letzte
Wort haben, riskieren die Kosovaren bei Fehlverhalten nur folgenlose
Ermahnungen.
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