NRZ: „Ein Angriff auf unsere Kultur“ – Kommentar zum Massaker in Norwegen. Von Chefredakteur Rüdiger Oppers.

Die Anschläge in Norwegen haben ganz Europa
schockiert. Auch unser Land trauert um die vielen Toten. Das
Entsetzen über die Wahnsinnstat ist umso größer, weil wehrlose junge
Menschen zu Opfern wurden. Jugendliche, die sich über die Ferien
freuten und sich gemeinsam für eine bessere Welt politisch engagieren
wollten. Unfassbar, welches Leid ihnen angetan wurde. Dieses
abscheuliche Massaker war auch ein Angriff auf unsere Kultur, auf die
westliche Wertegemeinschaft. Norwegen steht, wie viele skandinavische
Länder, für eine idealtypische, europäische Demokratie, die jedem
Menschen Recht und Freiheit garantiert – unabhängig von Glaube,
Hautfarbe oder Herkunft. Darauf hatte es der Täter abgesehen. Wenn er
keinen Erfolg haben soll, darf uns seine Bluttat nicht in Angst
versetzen.

Es ist eine furchtbare Erkenntnis, dass der Terror im Herzen einer
europäischen Hauptstadt zuschlagen kann, dass bewusst Jagd auf junge
Leute gemacht wurde. Aber wir dürfen es nicht zulassen, unseren von
Freiheit und Großzügigkeit geprägten Lebensstil panischem
Sicherheitsdenken zu opfern. Eine offene und liberale Gesellschaft
gibt es nicht ohne Risiko.

Es mag sich in Norwegen um die Untaten eines Irrsinnigen handeln,
aber es sind keine Einzeltaten. In Europa gibt es einen ganzen Sumpf
zunehmend gewaltbereiter rechtsextremer Milieus, in denen
Massenmörder gut gedeihen. Daraus entsteht eine ganz neue
terroristische Bedrohung, direkt vor unserer Haustür. „Homegrown“
wird dieses Phänomen genannt: „selbstgezüchtet“.

Ausländerfeindlichkeit und Islamphobie durchseuchen auch den
Alltag in Deutschland. Moderne Rassisten verbrämen ihr
menschenfeindliches, reaktionäres Weltbild gerne mit
pseudo-christlichem Gedankengut, das in den wuchernden Schattenwelten
des Internets eine wachsende Gemeinde erreicht. In deren Gesangbuch
findet man auch die Anleitung zum Bombenbau aus Dünger und Diesel.
Religiöser Fanatismus ist immer eine Gefahr für die Freiheit – ganz
gleich, ob die Besessenen sich auf Islam oder Christentum berufen.
Bezeichnend für ein Vorurteil, das gesellschaftsfähig geworden ist,
war die erste reflexhafte Reaktion auf die Anschläge. Fast alle
Experten sprachen vom islamistischen Terror und mussten sich schämen,
als ein blonder, blauäugiger Norweger festgenommen wurde, der auf
seinem persönlichen Kreuzzug gegen den Islam ein Massaker unter
Jugendlichen anrichtete. Die wirksamste Waffe gegen den Terror ist
Wachsamkeit – dazu gehört auch die Mahnung: Seien wir achtsam auf uns
selbst.

Rüdiger Oppers

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