NRZ: Ein unwürdiges Schauspiel – ein Kommentar von JAN JESSEN

Es ist ein bizarres, ein unwürdiges Schauspiel.
Während sich im Nordirak die kurdischen Peschmerga mit
US-Luftunterstützung gegen den Vormarsch der Fanatiker vom
„Islamischen Staat“ stemmen, ringt die politische Nomenklatura in
Bagdad um die Macht. Dabei gibt es nur ein Szenario, das die
Situation entschärfen könnte: Ministerpräsident Nuri al-Maliki muss
gehen. Mit seiner rücksichtslosen und kurzsichtigen Politik hat der
Schiit religiös gemäßigte Sunniten in die Allianz mit den
Dschihadisten getrieben. Fällt Maliki und erhalten die Sunniten
endlich wieder eine angemessene politische, soziale und
gesellschaftliche Teilhabe, wird diese Allianz schnell bröckeln;
bereits jetzt zeigen sich in Mossul oder der Anbar-Provinz erste
Risse.

Noch wehrt sich Maliki gegen seine Entmachtung durch den
kurdischen Staatspräsidenten Fuad Massum. Aber seine Verbündeten
gehen ihm von der Stange. International die USA und der Iran; beide
müssen ihm jetzt noch deutlicher zu verstehen geben, dass sie ihm
jegliche Unterstützung entziehen, wenn er sich weiter an die Macht
klammert. National haben sich viele bisherige Partner wie die
einflussreichen schiitischen Kleriker Ali al-Sistani und Muktada
al-Sadr von Maliki abgewandt. Beide unterstützen jetzt Haider
al-Abadi, einen farblosen Technokraten, aber immerhin einen
Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt, mit dem auch Kurden und
sunnitische Araber warm werden könnten.

Allerdings hat Maliki in den vergangenen Jahren eine beachtliche
Hausmacht aufgebaut und kontrolliert große Teile des
Sicherheitsapparates. Er hat jetzt die Chance, mit seinem Rückzug das
Land zu befrieden. Ist er verblendet genug, wird er den Irak noch
tiefer ins Chaos stürzen.

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