Das Bundesverfassungsgericht hat zum zweiten Mal
binnen vier Jahren das Wahlrecht des Bundes gekippt. Das war erstens
abzusehen und ist deshalb zweitens eine Blamage für Schwarz-Gelb.
Experten hatten zur Genüge davor gewarnt, dass die Reform
zusammengeschustertes Flickwerk sei; dass sie das Kernproblem nicht
aus der Welt schaffe. Nämlich die Tatsache, dass dieses Wahlgesetz
das Zeug hat, den Willen des Wählers zu verfälschen. Sei es durch die
Überhangmandate, dank derer „taktische“ Wähler (Stimmen-Splitting)
ein höheres Stimmgewicht haben als andere; sei es durch den bizarren
Effekt des „negativen Stimmgewichts“, der dazu führen kann, dass die
Stimmabgabe für eine Partei eben diese Partei Sitze im Parlament
kostet.
Union und FDP haben sich schlicht geweigert, diese Verzerrungen
glatt zu ziehen. Das war, man kann es nicht anders sagen, eine
Frechheit: Das Wahlrecht berührt schließlich den Kern der Demokratie.
Ist es unverständlich – wie das Steuerrecht – oder führt den
Wählerwillen ad absurdum, beschädigt das die Demokratie. Wer das
billigend in Kauf nimmt, weil er kurzfristig davon profitiert,
handelt grob fahrlässig.
Das Wahlrecht muss einfach, klar, verständlich und gerecht sein.
Das sind die Vorgaben, nach denen sich die Politik ausrichten sollte.
Dazu gehört, dass die Überhangmandate abgeschafft werden. Von dieser
Regelung profitieren ohnehin nur die großen Parteien – und sie sind
Ursache der größten Verwerfungen. Viel Zeit bleibt nicht mehr, im
Herbst 2013 sind bekanntlich Bundestagswahlen. Bis dahin muss die
Politik zeigen, ob sie willens und in der Lage ist, die Hüter der
Verfassung und den Souverän ernst zu nehmen.
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