Osama bin Ladens Tod ist eine gute Nachricht, aber
kein Grund zu feiern. Der Mann, der den „Heiligen Krieg“ gegen den
Westen – auch gegen unser Land – angezettelt hat, war ein
gewissenloser Massenmörder und die mächtigste Symbolfigur des
internationalen Terrorismus. Sein Schicksal hat er selbst
herausgefordert. „Gerechtigkeit wurde geübt“, sagte US-Präsident
Barack Obama. Er hatte den Einsatz angeordnet; nicht nach der Devise
„Tot oder lebendig“, sondern gleich:“Tot“. Das klingt in unseren
Ohren sehr nach Rache, nach „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Aber der
Kampf gegen Terroristen, die bewusst Zivilisten zum Ziel ihrer
blutigen Bombenanschläge machen, ist tatsächlich nur mit
Entschlossenheit zu gewinnen. Obama hat diese unter Beweis gestellt,
was ihm auch innenpolitisch Sympathien selbst bei Republikanern und
„Tea-Party“-Anhängern eintragen wird. Nach unserem Rechtsverständnis
wäre es wünschenswert gewesen, man hätte den meistgesuchten
Verbrecher vor ein ordentliches Gericht stellen können, am besten in
New York. Angesichts des Militäreinsatzes, der nötig war, um den
Terrorchef zu stellen, wohl ein naiver Wunsch. So kann man den USA zu
der erfolgreichen Kommandoaktion gegen den Gründer und Führer von El
Kaida zwar gratulieren, aber die Jubelstimmung vieler Amerikaner
bleibt uns doch fremd. Nur wer versteht, wie sehr Stolz und
Selbstgewissheit der Weltmacht durch 9/11 verletzt wurden, kann
nachvollziehen, dass der Tod bin Ladens für eine ganze Nation wie die
Befreiung von einem Alptraum wirkt. Besonders die Hinterbliebenen der
vielen tausend Opfer in New York, Washington, des Flugs 93 und der
Anschläge in London, Madrid oder Marrakesch mögen wenigstens in ihrer
persönlichen Geschichte Genugtuung erfahren. Doch dieser
vielgepriesene Sieg ist trügerisch. El Kaida ist keine Armee, sondern
eine Idee. Osama bin Laden ist nur eine Symbolfigur gewesen, und er
wird es bleiben, nun als Märtyrer. Sein Terror-Netzwerk operiert
weiter – ohnehin dezentral in kleinen, autonomen Gruppen, die
allenfalls im globalen Datennetz verbunden sind. Unabhängig vom
Schicksal ihres Führers ist ihr „Dschihad“ aber längst verloren. Der
vermeintlich „Heilige Krieg“ wurde auch gegen den Islam geführt, der
mit den Allmachts-Fantasien von El Kaida nichts gemein hat. Der
schönste Sieg über den „Dschihad“ ist nicht der Tod bin Ladens,
sondern es sind die Revolutionen in Ägypten, Tunesien, auch in Libyen
und Syrien, wo es den Menschen um Wohlstand und Freiheit, gewiss aber
nicht um die Errichtung eines Gottesstaats geht. Mit den Anschlägen
vom 11. September hat bin Laden die westliche Welt am stärksten
verändert. Seitdem hat sich der „Krieg gegen Terror“ in unseren
Alttag geschlichen. Strenge Sicherheitsvorkehrungen sind uns zur
Gewohnheit geworden. Daran wird sich nichts ändern. Es ist
wahrscheinlich, dass Racheakte versucht werden, dass die Gefahr von
Anschlägen sogar gewachsen ist. Dagegen helfen vor allem die
Wachsamkeit der Bürger und die kühle, abwägende Vernunft der Politik.
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