NRZ: Eine Rede zur rechten Zeit – Kommentar von Rüdiger Oppers zur Papstrede

Kleinkarierte Abgeordnete, die gestern dem hohen
Gast aus Rom die kalte Schulter zeigten, haben eine der seltenen
Sternstunden des Parlaments verpasst. Nicht nur dem Papst, sondern
auch dem Plenum darf man großen Respekt zollen. Die oft beschworene
Würde des „Hohen Hauses“ hat eine bemerkenswerte Bewährungsprobe mit
Bravour bestanden. Der Heilige Vater hat viele seiner Kritiker
überrascht und hoffentlich auch beschämt. Benedikt XVI. hat die heiße
Diskussion um die Rechtmäßigkeit seiner Rede durch die ehrliche
Bescheidenheit seines Auftritts abgekühlt. Er hat als Landsmann
gesprochen, sympathisch, klug und ohne jeden religiösen Eifer. So war
der Vortrag des Heiligen Vaters weniger eine Predigt, sondern eher
eine philosophische Vorlesung über Recht, Freiheit und Werte in der
Politik.

Selten hat man anspruchsvollere Worte im Bundestag gehört.
Überraschend war sein ausdrückliches Lob der ökologischen Bewegung.
Ist der Papst ein Grüner? Nicht als Parteigänger. Der christliche
Schöpfungsglaube stellt aber seit jeher alle nötigen Fragen an die
Zerstörer der Umwelt. Dazu gehört auch die Verteidigung der
Menschenwürde. Wichtig und wohltuend war, dass der Papst aus
Deutschland die Rolle der Widerstandskämpfer gegen die Nazidiktatur
gewürdigt hat. Wenn sie sich selbst ernst nimmt, steht die Kirche
immer bedingungslos auf Seiten der Menschenrechte. Diese Rede kam zur
rechten Zeit. Noch nie war die Verunsicherung bei Bürgern und
Politikern so groß.

Jüngst erlebten wir in Deutschland eine kaskadenartige
Delegitimierung von Repräsentanten und Eliten – auch kirchlichen.
Unser Land mag materiell noch so reich sein, was Ideale und
Überzeugungen angeht, sitzt es bald auf dem Trockenen. Auch der
religiöse Grundwasserspiegel sinkt. In dieser Situation hat der Papst
das Parlament daran erinnert, was Politik und Religion verbindet: Wir
haben den Vater Staat. Wir brauchen auch Mutter Kirche.

Der Staat beruht auf Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen
kann. Ein Schiff kann nicht an sich selbst ankern. Wir brauchen ein
Wertesystem. Wir brauchen konsensfähige ethische Normen als
Orientierungshilfe bei der Selbstverwirklichung, aber auch bei der
Entwicklung des Gemeinwesens. Diese sind kein starres Korsett,
sondern ein begehbarer Raum, der sich im öffentlichen Diskurs
verändern kann. Das ist schon jetzt eine wichtige Botschaft des
Besuchs Benedikts XVI. in seiner Heimat, von dem man noch viele
Impulse erwarten darf.

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