NRZ: Es geht nicht nur um Größe – Kommentar von Thomas Rünker

Vermutlich war Eon-Chef Johannes Teyssen gestern
zumindest verwundert: Völlig unerwartet bringt EU-Kommissar Günther
Oettinger da einen aus RWE und Eon geformten deutschen Energieriesen
ins Gespräch – dabei hatte die EU-Kommission selbst Eon erst vor ein
paar Jahren aus Angst vor zu viel Marktmacht genötigt, Konzernteile
abzustoßen. Auch Jürgen Großmann von RWE dürfte gestaunt haben. Eine
plötzliche Kehrtwende – oder doch nur eine der typischen
Provokationen des Schwaben in Brüssel? Wohl Letzteres. Ein
Zusammenschluss der beiden größten deutschen Versorger jedenfalls ist
mit Blick auf das Kartellrecht undenkbar. Doch abgesehen davon stellt
sich die grundsätzliche Frage nach dem von Oettinger geforderten
deutschen Energieriesen. Der reine Vergleich von Bilanzzahlen bringt
einen jedoch nicht weiter. Natürlich spielen RWE und Eon hier in
einer anderen Liga als der Staatskonzern Gazprom oder die US-Giganten
ExxonMobil und Chevron, die auch auf dem Öl-Markt unterwegs sind, der
für die Deutschen kaum von Bedeutung ist. Viel wichtiger als die
reine Größe dürfte die Frage der Zukunftsfähigkeit sein. Und da holen
Eon und RWE – bei aller berechtigter Kritik, zu lange nur auf Kohle
und Atom gesetzt zu haben – deutlich auf. Bei Investitionen in
erneuerbare Energien ist Eon weltweit führend, RWE zumindest in
Europa. Ganz offensichtlich funktioniert dieser Teil der Energiewende
auch im Wettbewerb – dessen Reduzierung ohnehin primär zu Lasten der
Verbraucher ginge. Dass RWE und Eon durch den rasanten
Strategiewechsel und den damit verbundenen Abbau tausender Stellen
wohl noch auf Jahre von großer Unruhe geprägt sein werden, steht auf
einem anderen Blatt. Genauso wie die Tatsache, dass ihre niedrigen
Börsenkurse womöglich ausländische Investoren zum Einstieg einladen.
Doch hier zu intervenieren, ist nicht Aufgabe eines EU-Kommissars.
Oettinger sollte sich lieber für eine EU-weit abgestimmte,
langfristige Energiepolitik einsetzen, die verlässliche
Rahmenbedingungen setzt – für große und für kleine Unternehmen.

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