NRZ: Fromms Schachzug – ein Kommentar von MIGUEL SANCHES

Ein Bauernopfer kann ein nützlicher Schachzug sein.
Innenminister Hans-Peter Friedrich hätte ihn irgendwann getan. Der
Bauer, von dem hier die Rede ist, kam ihm gestern zuvor. Heinz Fromm
geht in Rente, weil ihm die Alternative klar wurde: Unendliches
Gezerre um Aufklärung der Reißwolf-Affäre beim Verfassungsschutz. Ein
Neuanfang wäre dem Präsidenten nicht möglich gewesen. Er ist zu alt,
sein Parteibuch (SPD) bietet keinen Schutz, im Gegenteil, und seine
Autorität war angegriffen. Immerhin war ihm ein kapitaler Fehler im
Amt – gelernt ist gelernt – verheimlicht worden. Vielleicht hätte
Fromm alles aufgeklärt. Wenn er seine Schuldigkeit getan hätte, wäre
er ausgetauscht worden. Für den Zug hätte sich der Minister feiern
lassen.

Das ist noch das harmloseste Szenario. Gut möglich, dass die Akten
über den „Thüringer Heimatschutz“ nicht aus Versehen geschreddert
wurden. Nehmen wir einmal an, dass dort Bezüge zu Beate Zschäpe, Uwe
Mundlos und Uwe Böhnhardt waren. Dann hätte der Verfassungsschutz die
Kontakte zu Mördern erklären müssen. Die Fehlertoleranz in der
Öffentlichkeit tendiert gegen Null. Wenn was schief läuft, wird
reflexhaft der ganze Dienst in Frage gestellt. Es kann hochrational
sein, einen Fehler zu vertuschen und die Chefetage nicht mit der
Wahrheit zu belasten. Fromm wäre, so gesehen, eine Sollbruchstelle:
Eine Karriere, die kaputtgehen darf, damit der Apparat geschützt
wird. Ob es so ungeheuerlich ist, ob sich Abgründe auftun, weiß der
Referatsleiter, der die Aktion anordnete.

Der Mann ist juristisch klug beraten, sich nicht selbst zu
belasten. Man wird den Verlust der Akten als gering und als Panne
eines Einzelnen darstellen, der Datenschutz mit Kadavergehorsam
exekutierte. Man wird hier und da eine Struktur oder Vorschrift
ändern und als letzten Zug einen neuen Präsidenten präsentieren.
Fromm kennt das Spiel. Er kann mehrere Züge vorausdenken.

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