NRZ: Gleiches Recht für alle – ein Kommentar von JAN JESSEN

Mit der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft
lässt sich ausgezeichnet Wahlkampf machen. Roland Koch hat damit 1999
sogar – absurd genug – eine Landtagswahl gewonnen. Das Thema
polarisiert. Es taucht ein in den Dunstkreis der Überfremdungsängste.
Natürlich kann man argumentieren: Ein junger Erwachsener sollte sich
entscheiden können zwischen einem deutschen Pass und dem des
Herkunftslandes seiner Eltern. Das Merkwürdige ist nur: Diese Debatte
ist nicht geführt worden, als 2007 die doppelte Staatsbürgerschaft
von EU-Ausländern generell anerkannt wurde. Was aber unterscheidet
einen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen jungen
türkischstämmigen Menschen – um sie geht es schließlich vorrangig –
von einem jungen Franzosen, Italiener, Rumänen oder Bulgaren? Warum
sollte dieser weniger loyal zum deutschen Staat stehen als jene, wenn
er die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt? Es ist doch eher das
Gegenteil der Fall: Erst wenn man einen jungen Menschen zwingt – so
wie es jetzt tausenden geschieht -, sich von einem Teil seiner
Identität zu lösen und sich für eine Staatsbürgerschaft zu
entscheiden, bekommt die Loyalität zu dem Land, in dem man
aufgewachsen ist, Risse. Und: Zuwandererkindern, die aufgrund der
nationalen Herkunft ihrer Eltern von Rechten ausgeschlossen werden,
die andere wie selbstverständlich haben, wird es tatsächlich nicht
eben leichter gemacht, sich zur Gemeinschaft zu bekennen, sich also
zu integrieren. Nebenbei: Die Argumentation des Bundesinnenministers,
mithilfe zweier Pässe könne sich ein Straftäter leichter der Justiz
entziehen, ist ja richtig. Es stört das Rechtsempfinden. Andererseits
ist sie einigermaßen perfide; sie nimmt eine überwältigende Mehrheit
rechtstreuer Menschen in die Mithaftung für das Fehlverhalten einiger
weniger. Statt mit einem solchen Argument gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft anzugehen, sollte sich Friedrich für entsprechende
Rechtshilfeabkommen stark machen.

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