Tunesien ist das Land, in dem 2010 der Arabische
Frühling begann und das einzige, in dem die Umwälzungen ein gutes
Ende zu nehmen schienen. Säkulare und islamistische Kräfte fanden zu
einem demokratischen Konsens. Der verheerende Anschlag von Tunis
zielt auf diesen Ausgleich. Die Terroristen haben sich ihre Opfer
bewusst ausgesucht. Der Tourismus ist eines der wichtigsten
wirtschaftlichen Standbeine Tunesiens. Wer Touristen ermordet, wie
2002 in Djerba oder 1997 im ägyptischen Luxor, der will
wirtschaftlichen Niedergang herbeischießen und -bomben.
Wirtschaftlicher Niedergang sorgt für Unmut, für Spannungen und ist
ein ausgezeichneter Nährboden für Extremismus. Es ist ein grausames
und simples Kalkül.
Ob die Angreifer von Tunis der Terrormiliz Islamischer Staat oder
einer Al-Kaida-nahen tunesischen Terrortruppe angehörten, ist noch
unklar. Klar ist aber: Sicherheit und Stabilität in Tunesien stehen
auf äußerst schwachem Fundament. Im benachbarten Libyen wuchert der
Islamische Staat in dem Chaos, das seit der Entmachtung Gaddafis
herrscht. Tausende junger Tunesier kämpfen für den IS im Irak und in
Syrien. Das Problem brutalisierter und fanatisierter Rückkehrer ist
für Tunesien ungleich größer als für Deutschland. Trotz des Schocks
von Tunis müssen tunesische Regierung und Gesellschaft jetzt Nerven
und Ruhe bewahren. Eine überharte Repression würde nicht nur den
gesellschaftlichen Ausgleich zerstören und damit den Fanatikern in
die Karten spielen. Sie ist auch das beste Rekrutierungsprogramm für
neue Terroristen, wie das Beispiel Ägypten zeigt.
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