NRZ: Keinen Cent für Islamisten – ein Kommentar von RÜDIGER OPPERS

Mohammed Mursi war ein schwieriger Gast für die
Kanzlerin. Ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag musste Angela Merkel
einen hasserfüllten, antisemitischen Staatsmann begrüßen. Als
demokratisch gewählter Präsident hatte er dennoch Anspruch darauf,
mit allen Ehren empfangen zu werden. Allerdings ist Mursi kein
Demokrat. Dem führenden Muslimbruder schwebt eher ein Gottesstaat
vor. Seitdem die Ägypter dies spüren, gehen ihre Massenproteste
weiter. Längst gilt Mursi seinen Landsleuten nicht mehr als
Hoffnungsträger, sondern als große Enttäuschung. Ägypten ist nach der
Revolution keinesfalls aufgeblüht, sondern ins Chaos gestürzt.
Ökonomisch steht das Land vor dem Bankrott. Wie dramatisch die Lage
ist, zeigen die bürgerkriegsähnlichen Zustände in vielen Städten.
Mursis Stippvisite in Berlin diente nicht der Höflichkeit oder der
Völkerfreundschaft. Es ging ums Geld. Also stellt sich die Frage: Wie
viel Euro ist uns Ägypten wert? Keinen Cent – solange dort radikale
Islamisten auf dem Vormarsch sind, Terroristen gefördert und viele
Christen blutig verfolgt werden. Wenn der arabische Frühling zum
Winter für die Demokratie wird, sollten die deutschen Steuerzahler
diesen Rückfall mit keinem Pfifferling unterstützen. Eine
selbstbewusste deutsche Außenpolitik sollte sich ohne Rücksicht auf
chronisch beleidigte Islamisten standhaft an den Menschenrechten und
rechtsstaatlichen Prinzipien orientieren. Finanzielle Förderung und
politische Unterstützung verdienen alle Bestrebungen, in Ägypten eine
Demokratie aufzubauen. Dazu gehören die fortschrittlichen Kräfte in
der Zivilgesellschaft. Dagegen müssen Regierungshilfen an Bedingungen
geknüpft werden; beispielsweise an den Schutz religiöser
Minderheiten, transparente, demokratische Wahlen und die Aussöhnung
mit Israel. Die Kanzlerin hat dies gestern nicht deutlich genug zum
Ausdruck gebracht, sondern Herrn Mursi die Kooperation Deutschlands
in Aussicht gestellt. Sicher: Ein stabiles Ägypten dient auch dem
Frieden im Nahen Osten. Aber das hat man schon unter Mubarak lernen
können: Stabilität kann man sich eine Zeit lang teuer erkaufen,
Freiheit nicht.

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