NRZ: Merkels Prozente – ein Kommentar von WINFRIED DOLDERER

Süßer könnten die demoskopischen Glocken nicht
klingen für die Union an diesem Weihnachtsfest: Neun Monate vor der
Bundestagswahl bescheinigt ihr das Forsa-Institut, dass sie derzeit
wieder an der magischen 40-Prozent-Marke kratzt. Jauchzet,
frohlocket? Tatsache ist: So gut haben die C-Parteien lange nicht
mehr dagestanden. In einer bundesweiten Umfrage zuletzt im Frühjahr
2006. In einer Bundestagswahl zuletzt 1994. Man erinnert sich kaum
noch. Dabei sind „40 plus x“ lange die Maßeinheit gewesen für eine
manierliche bundesdeutsche Volkspartei. Damals, als die
Parteibindungen noch solide, die politischen Markenkerne intakt waren
und auch das Getümmel in der politischen Arena sich in Grenzen hielt.
Längst haben sich Beobachter angewöhnt, „30 plus x“ als das neue Maß
für die Schwergewichte in einem vielgestaltigeren und instabileren
Parteiensystem zu betrachten. Die SPD erreicht derzeit nicht einmal
das. Und auch die Union hatte bislang anderen Gesprächsstoff als
demoskopische Höhenflüge. Sie hat in diesem Jahr in mehreren
Großstädten den Posten des Oberbürgermeisters eingebüßt – die bange
Frage lautet: Ist sie für ein urbanes Publikum überhaupt noch
wählbar? Seit Jahren kommt ihr in einem Bundesland nach dem anderen
die Regierungsführung abhanden. Das nächste Desaster droht in
Niedersachsen, sollte dort der Koalitionspartner zerbröseln. Und was
am Wahlabend mit „40 plus x“ anzufangen ist, wenn sich keine
belastbare Regierungsmehrheit abzeichnet, ist noch eine offene Frage.
Was sich in der Demoskopen-Zahl spiegelt, ist nicht die Stärke der
Union. Es ist der Zuspruch für Angela Merkel, in deren
Euro-Krisenmanagement die Bürger, warum auch immer, geradezu vernarrt
sind. Das genau aber ist das Problem der Volksparteien: Die
Situationsbedingtheit und Instabilität politischer Vorlieben und
Abneigungen. Kein Grund zum Aufatmen.

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