NRZ: Obama lässt Merkel im Stich – ein Kommentar von DIRK HAUTKAPP

Reisen bildet. Manchmal eben auch Vorurteile. Zum
Beispiel, dass man manche Reise besser gleich unterlässt oder auf
eine späteren Zeitpunkt verschiebt. Wenn man schon vor Antritt weiß,
das hinterher mehr Fragen offen sind als vorher. Das ist in etwa der
Rahmen, in dem sich Hans-Peter Friedrich gestern in Washington bewegt
hat. Der Bundesinnenminister hat von „unseren amerikanischen
Freunden“ keine auch nur annähernd zufriedenstellende Aufklärung über
das exakte Warum und Wie der massenhaften Überwachung durch die
US-Geheimdienste erhalten. Das war zu erwarten. Die USA fühlen sich
im Recht. Was der Rest der Welt denkt, ist bei aller gespielten
Betroffenheit vergleichsweise unwichtig. Nicht unbedingt zu erwarten
stand, dass die Regierung dem Gesandten der Kanzlerin kaum belastbare
Argumentationshilfen an die Hand gegeben haben, um in der kommenden
Woche im innenpolitischen Wahlkampfgetöse in Berlin eine halbwegs
solide Figur abgeben zu können. Mit einem Satz: Alle heiklen Punkte
sind offen. Für keine auf Beruhigung der Volksseele gerichtete
Behauptung gibt es unabhängig überprüfbare Beweise. Mit anderen
Worten: Obama lässt Merkel im Stich. Daran ändert auch das kurze
Intermezzo mit Vizepräsident und „Grinsekatze“ vom Dienst, Joe Biden,
nichts. Wer den Minister gestern hörte, wurde nachhaltig ernüchtert.
Alles steht unter dem Vorbehalt, dass erst geklärt werden müsse, was
geklärt werden darf. Um es dann, womöglich, eventuell, in kleinen
Dosen der Öffentlichkeit zu verabreichen. Alles an und in diesem
Skandal wird noch auf lange Zeit geheim bleiben. Vielleicht für
immer. Soweit zur Transparenz der Demokratie im 21. Jahrhundert. Gut,
dass es Edward Snowden gibt.

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