NRZ: Peer Steinbrück, ein Kandidat der höheren Preisklasse – ein Kommentar von MIGUEL SANCHES

In Amerika stolpern Politiker über Sexstorys, in
Deutschland über Geldfragen, in Frankreich vermutlich über beides
nicht. Das ist eine alte Erfahrung, nicht mehr. Damit ist nicht
gesagt, dass Peer Steinbrück schon gescheitert sei, bevor er als
Kandidat richtig loslegen konnte. Gewählt wird in einem Jahr. Dann
wird es nicht um 1,25 Millionen Euro an Honoraren geben.

Allein, etwas bleibt. Ein Imageschaden. Es ist wie bei Klaus
Ernst, als er die Linkspartei anführte. Als bekannt wurde, dass er
Porsche fuhr, haben viele die Nase gerümpft. Steinbrück wird fortan
als „Genosse Krösus“ (BZ) firmieren. Es ist unfair. Damit muss er
aber leben. Vorurteile sind Fakten, die man strategisch
einkalkulieren sollte.

Seit die SPD einen Spitzenkandidaten hat, ist er damit
beschäftigt, sich zu erklären. Dass er hohe Zusatzeinkünfte hatte,
war bekannt. Dass man ihm daraus einen Strick drehen könnte, hätte er
sich denken und entsprechend wappnen können. Er und die SPD waren
aber unvorbereitet. Grausam.

Mit der Offensive für Transparenz haben sie sich nur Luft
verschafft. Die Diskussion darüber, ob 25.000 Euro für eine Rede in
Bochum als Spende oder als Honorar gedacht waren, zeigt aber: Das
Rohr ist leck und kann tröpfeln: neue Fragen, neue Erklärungsnöte.

Transparenz ist immer gut. Aber man sollte Abgeordneten die
Offenheit abverlangen, zu der man selbst fähig ist. Die meisten
Menschen verraten nicht, wie viel sie verdienen; und sie halten das
Steuergeheimnis hoch.

Es ist ein Irrglaube, jede Eventualität gesetzlich regeln zu
wollen. Anders gesagt: Ein Abgeordneter darf aus freien Stücken auf
Diäten verzichten (spenden), weil er finanziell unabhängig ist und
mit Vorträgen, Büchern genug verdient und bestens versorgt ist. Das
muss er mit sich selbst ausmachen.

Steinbrück verstieß gegen kein Gesetz, als er mitnahm, was er
mitnehmen konnte. Seine Geisteshaltung war auch nicht: Wes– Brot ist
ess, des– Lied ich sing. Ein Teil der Sozialdemokraten wird aber
innerlich zerrissen sein. Sie spüren die Heuchelei ihrer Gegner, der
Reflex: Reihen schließen, gleichzeitig macht Steinbrück es allerdings
schwer, sich mit ihm zu identifizieren. Es ist wohl so: Die SPD
leistet sich einen Kandidaten der höheren Preisklasse. Da kann nicht
jeder Wähler mitfühlen.

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