NRZ: Schlichte Weltbilder – ein Kommentar von WINFRIED DOLDERER

Da haben wir es schwarz auf weiß: Altersarmut? Halb
so wild. „Lebensleistungsrente“? „Solidarrente“? „Grüne
Garantierente“? Überhaupt sämtliche Modelle, die darauf hinauslaufen
sollen, Mini-Einkünfte im Alter durch Umverteilung von Steuer- oder
Beitragsmitteln auf ein halbwegs erträgliches Niveau anzuheben?
Überflüssiges, sogar schädliches Brimborium. Das hat jetzt mit
mathematischer Präzision der Wissenschaftliche Beirat des
Wirtschaftsministeriums festgestellt. Ein Wunder wäre es auch
gewesen, wären die Rechenkünstler zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.
Ihr Auftraggeber heißt schließlich Philipp Rösler, und dem
Bundeswirtschaftsminister passt seit Monaten die ganze Richtung
nicht, die die Rentendebatte nicht allein bei SPD und Grünen, sondern
auch in der Union genommen hat. Den Auftakt dazu hat im Frühherbst
die Arbeitsministerin gemacht, als sie das Getrommel für ihre Idee
einer „Zuschussrente“ mit der schrillen Warnung untermalte, demnächst
werde schon jeder Facharbeiter im Alter dem Elend verfallen. Kollege
Rösler hält jetzt dagegen. Mit der Botschaft, dass sich vor
Altersarmut kaum jemand ernsthaft ängstigen müsse. Theoretisch
zumindest. Wenn alles gut geht. Denn wie das so ist mit Prognosen,
vor allem wenn sie die Zukunft betreffen: Auch diese ist extrem
voraussetzungsreich. Röslers Optimal-Szenario hat zur Bedingung, dass
jeder Arbeitnehmer fleißig in die Riester-Kasse einzahlt, bis 67
durcharbeitet und eine bruchlose Erwerbsbiographie hinter sich
bringt. Dass mit anderen Worten der Arbeitsmarkt eine
Wünschdirwas-Veranstaltung ist, Aber ist er das? Graue Theorie. Nicht
weniger freilich als die Thesen jener Soziallobbyisten, die noch
immer meinen, man müsste nur alle Reformen des vergangenen Jahrzehnts
zurückdrehen und alles wäre wieder gut. Armut sei „politisch
gewollt“, lautet ihre Formel. Wo man hinschaut: Schlichte Weltbilder.

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