Vielleicht gibt es heute im Bundesjustizministerium
mal eine etwas nachdenklichere Bürorunde zum Wochenauftakt. Eine, in
der die Ministerialen reflektieren, was da seit Mitte letzter Woche
passiert ist. Angemessen wäre das. Schließlich hatte das Team um
Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger nur ein relativ kleines Gesetz
vorgelegt: Die Umsetzung des politisch (bislang) unumstrittenen
Verbots einer gewerbsmäßigen Sterbehilfe. Doch aus der Debatte über
die Mängel dieses Entwurfs hat sich eine ethische
Grundsatz-Diskussion Bahn gebrochen, die den Rahmen dieses Papiers
bei Weitem sprengt. Eine Debatte, die hierzulande offensichtlich
dringend nötig ist. Schließlich wäre ein breiter Konsens über die
Frage wünschenswert, wie diese Gesellschaft generell zur Sterbehilfe
steht, bevor man sich mit dem vorgelegten Entwurf etwa der Frage
zuwendet, wer denn nun einen Sterbenskranken auf dessen Wunsch hin
töten darf.
Es scheint, als hätte sich die Sterbehilfe-Diskussion verschoben,
vor allem aber polarisiert. Das wird durch die aktuelle Umfrage
eklatant deutlich, bei der eine Mehrheit der Sterbehilfe-Befürworter
einer nur wenig kleineren Minderheit der Gegner gegenübersteht. In
jedem Fall hat eine Ent-Tabuisierung des Themas stattgefunden; durch
Beispiele aus der Schweiz oder den Niederlanden, wo man deutlich
anders mit dem Thema umgeht, aber auch dadurch, dass in einer
alternden Gesellschaft immer mehr Menschen Erfahrung mit Krankheit,
Leid und Sterben machen. Diese Ent-Tabuisierung tut gut, wenn sie zu
einer offenen, aber auch anstrengenden Ethik-Diskussion führt.
Die Gefahr liegt indes in zu schnellen Antworten à la „in der
Schweiz geht–s doch auch“. Wenn 49 Prozent der Deutschen eine
kommerzielle Sterbehilfe befürworten, steht dahinter – neben der
derzeit leider noch begründeten Angst vor unzureichender Betreuung
unheilbar Kranker – wohl auch der Wunsch, das unschöne Thema Tod
delegieren zu können. Ganz im Sinne einer Dienstleistung. Doch das
hat nichts mit menschenwürdigem Sterben zu tun, sondern mit
Geschäftemacherei.
Für die Sterbehilfe-Diskussion braucht es keine professionellen
Tötungs-Firmen, sondern vor allem einen deutlichen Ausbau der
Palliativ-Medizin. So lange es Hospizplätze nur für diejenigen gibt,
die lange genug auf der Warteliste durchhalten, und s olange auch bei
der ambulanten Leidenslinderung und Sterbebegleitung gespart wird,
ist jede Sterbehilfe-Diskussion unfair.
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