Gut, dass es Kirchentage gibt. Wenn sich
Zehntausende Menschen treffen, um tagelang ihren Glauben zu feiern
und darüber zu diskutieren, wie man aus diesem Glauben heraus eine
bessere Gesellschaft gestalten kann, dürfen das auch Nicht- und
Andersgläubige begrüßen. Schließlich propagieren die Christen eine
Welt, in der es für alle gerechter zugehen soll – und das treibt in
den Debatten um Steuerhinterziehung und Managergehälter, aber auch
über den Umgang mit Behinderten (Stichort: Inklusion) ja nicht nur
Protestanten um. Die Losung „Soviel du brauchst“ passte da so
treffend in die Zeit wie kaum ein Kirchentags-Motto zuvor. Und es ist
gut, dass das Christentreffen damit den Blick nicht nur auf den treu
sorgenden Gott gelenkt hat, sondern auch auf dessen Ablehnung des
Überflusses. Denn wenn es etwa um die weltweite Ungleichverteilung
des Reichtums oder den Unterschied beim klimaschädlichen CO2-Ausstoß
geht, ist der Satz aus dem Alten Testament hochaktuell. Dennoch ist
der Kirchentag zu kurz gesprungen und über altbekannte Aufforderungen
an jeden Einzelnen, zum Beispiel kritischer und weniger zu
konsumieren, kaum hinausgekommen. Dabei hätte er gerade jetzt
wichtige Beiträge für die Gesellschaft leisten können – etwa durch
eine kontroverse, fundierte Diskussion über den Wachstumsbegriff.
Auch diese Debatte ist nicht neu, aber sie ist derzeit aktuell.
Gerade hat sich der Bundestag damit befasst, und in Hamburg kündigte
die Kanzlerin an, sich des Themas anzunehmen – doch wer auf dem
Kirchentag eine Antwort auf die Frage suchte, wie viel denn eine
Gesellschaft braucht (zum Beispiel um zufrieden oder gar glücklich zu
sein), der wurde enttäuscht.
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