Offener Brief an die FDP-Bundestagsfraktion

Sehr geehrte Damen und Herren der FDP Bundestagsfraktion,
liebe Parteifreunde,

mein Name ist Jürgen Adler. Ich bin seit dem Jahr 1997 selbständig mit einem Zeitarbeitsunternehmen. Mittlerweile zählen über 400 Mitarbeiter an acht Standorten zu meinem Unternehmen. Genauso lang bin ich Mitglied in der FDP. Seit 1999 Ratsmitglied in Castrop-Rauxel und seit 2004 Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion. In einer Stadt, die auf eine lange Bergbautradition zurück blicken kann und sich seit Jahrzehnten in einem sehr schwierigen Strukturwandel befindet, war und ist es nicht immer einfach für die FDP, erfolgreich zu sein. Meine Mitstreiter und ich haben jedoch immer gekämpft und insbesondere im letzten Jahr vier wichtige, anstrengende, jedoch insgesamt sehr erfolgreiche Wahlkämpfe bestritten.

Nun zu meinem Anliegen:

Der stellv. Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag Heinrich Kolb stellte am Montag, 12. Juli 2010, ein mit der Fraktion abgestimmtes Konzept vor. Darin sprechen sich die Liberalen zwar gegen einen neuen Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche aus, wollen aber stattdessen den Zeitarbeitsfirmen gesetzlich vorschreiben, dass die Bezahlung ihrer Leihkräfte nur noch jeweils für eine gewisse Einarbeitungszeit die Vergleichslöhne des Einsatzbetriebs unterschreiten darf. Damit wird letztlich das vom ehemaligem Wirtschaftsminister Clement (ehemals SPD) eingeführte „Equal Pay“ ausnahmslos umgesetzt.

Selbst der ehemalige Superminister der rot-grünen Bundesregierung hatte jedoch 2004 ein Einsehen. Vielmehr überließ er der Branche die Möglichkeit, eigene Tarifverträge abzuschließen. Die Gründe hierfür sind offenkundig:

– die organisatorische Abwicklung von „Equal Pay“ ist unglaublich schwierig und noch schwieriger zu kontrollieren – bei wechselnden Einsätzen muss der Lohn des Mitarbeiters neu berechnet werden
– der Verwaltungsapparat – sowohl bei Zeitarbeitsunternehmen als auch bei der kontrollierenden Behörde – müsste unzumutbar wachsen
– die Mitarbeiter müssten bei wechselnden Einsätzen mit unterschiedlicher Bezahlung klarkommen
– ein schwerer Eingriff in die Tarifautonomie erfolgt
– es handelt sich um eine massive und nicht zu rechtfertigende Regulierung des Marktes

Die genannten Gründe hätten zur Folge, dass die Arbeitsleistung in der Zeitarbeit wesentlich teurer würde. Mittelständische Unternehmen und Großkonzerne werden zu großen Teilen ihre Produktion ins billigere Ausland verlegen. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere im geringer qualifizierten Bereich, würde ansteigen.

Die Zeitarbeit war neben der Kurzarbeit in der zurückliegenden Krise für viele produzierende Unternehmen der Rettungsanker. In dem sich abzeichnenden Aufschwung ist sie der Jobmotor. Bedenkt man darüber hinaus noch, dass beinahe zwei Drittel aller in der Zeitarbeit beschäftigten Menschen vorher nicht berufstätig oder arbeitslos waren, erkennt man erst die Relevanz dieser Branche. Diese wichtigen Funktionen würden konterkariert. Insbesondere kleine und mittelständische Personaldienstleister würden einen solchen Systemwechsel aller Voraussicht nach nicht überleben.

Der Grundgedanke „Equal Pay“ (oder der deutsche Slogan „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“) hört sich richtig, gerecht und nachvollziehbar an. Inwiefern aber betrifft er die Zeitarbeit? Wollen wir ihn wirklich durchsetzen? Ein Schlosser bei einem kleinen Anlagenbauer erledigt die gleiche Arbeit wie der Schlosser, der für Thyssen Krupp Anlagen baut. Sie könnten sogar nebeneinander an der gleichen Anlage werkeln, die gleichen Handgriffe tun und trotzdem würde ihr Lohn um mindestens 50 Prozent differieren. Solche Beispiele könnte ich zu Hunderten aufzählen und es müsste nicht ein einziger Arbeitnehmer einer Zeitarbeitsfirma dabei sein. Die Verletzung des Grundsatzes „Equal Pay“ ist eben kein Phänomen in der Zeitarbeitsbranche, es ist die gelebte Realität in unserem Wirtschaftssystem.

Unterschiede im Lohngefüge existieren in verschiedenen Branchen, innerhalb der Branchen natürlich zwischen Klein- sowie Mittelstand und erst recht in Großunternehmen. Und dann sind sie natürlich noch einmal abhängig vom Organisierungsgrad der Gewerkschaften in dem jeweiligen Unternehmen.

In einem Land wie dem unseren, in dem der Wirtschaftsprozess so heterogen ist, ist dies auch schwer anders möglich. Das deutsche Bestreben, Wirtschaftabläufe zu optimieren, sichert unsere gute Position im internationalen Wettbewerb. So werden in Deutschland Gewerke entkoppelt, „outgesourced“, geteilt und durch unterschiedlichste Unternehmen, unterschiedlichster Branchen gefertigt. Hier ist unterschiedliche Bezahlung gang und gäbe.

Die Zeitarbeitsbranche betrifft diese Zusammenhänge nur in dem Maße, in dem auch andere Branchen betroffen sind. Also ist eine solche Forderung, nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, blanker Populismus! Aus meiner Sicht soll die Zeitarbeitsbranche hier als Bauernopfer dienen, um einer bisher unbefriedigenden Regierungsarbeit einen sozialromantischen Touch zu geben! Die Zeitarbeit ist in der Bundesrepublik Deutschland zu einer eigenen und wichtigen Branche gereift. Und diese Branche verdient die Legitimation, im Rahmen ihrer eigenen Tarifabschlüsse zu arbeiten!

Die Liberalität, die Freiheit und die daraus wachsende Verantwortung sind die Eckpfeiler der FDP. Diese Grundwerte werden hier eklatant missachtet und zwar durch die Partei, die eben diese Grundwerte als das eigene Fundament betrachtet.

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundestagsfraktion, ich kann Sie nur bitten und dazu auffordern: Überdenken Sie Ihren Weg! Besinnen Sie sich auf die Grundwerte unserer Partei und verfolgen Sie nicht weiter die Umsetzung dieses unsinnigen Konzeptes.

Mit liberalen Grüßen

Jürgen Adler
Geschäftsführer der gfz services GmbH
Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Castrop-Rauxel