Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Afghanistan

Die Macht des Zentralstaats reicht kaum über die
Grenzen der Hauptstadt hinaus. Weite Gebiete werden von Extremisten
und Kriminellen kontrolliert. Die Korruption durchdringt das
Gemeinwesen. Chaotische Wahlen erschüttern die Legitimität des
politischen Systems. Polizei und Militär können die Sicherheit der
Bürger nicht gewährleisten. Nach allen gängigen Definitionen ist
Afghanistan ein failed state, ein gescheiterter Staat. Das ist das
niederschmetternde Ergebnis eines militärischen, politischen und
humanitären Kraftakts. In den vergangenen neun Jahren hat die
internationale Staatengemeinschaft viele Tote in Kauf genommen und
hunderte von Milliarden Dollar ausgegeben, um aus Afghanistan ein
funktionierendes Land mit stabilen Institutionen zu machen. Auch wenn
es unbestritten mehr Schulen, Straßen und Krankenhäuser gibt als
früher: Es gehört keine besondere Expertise dazu, festzustellen, dass
das nicht gelungen ist.

Nichts braucht Afghanistan so sehr wie Frieden. Der Westen darf
nicht allein bestimmen, wie hoch der Preis dafür sein darf. Ein Volk,
das mehr als eine Generation lang im Krieg gelebt hat, hat das Recht,
um des Friedens willen Kompromisse zu schließen. Sogar mit den
Taliban.

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Jan-Peter Schröder
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