Ostsee-Zeitung: Ostsee-Zeitung Rostock zur Situation nach der Wahl:

Ein Rücktritt, selbst in Massen angeboten, löst
selten Probleme. Ein historischer Sieg bei einer Wahl ebenso wenig.
Rösler, Roth und Co. werden das wissen, die Liberalen und Grünen
werden es schon bald begreifen. Ein profillos gewordener Liberalismus
wird nicht gebraucht, egal wer die Nummer eins ist. Eine Partei der
Weltverbesserer schon, aber keine Gruppierung der überheblichen
Besserwisser, wie auch immer der neue Trittin heißen wird. Mit einer
Politik, nah an den Meinungsumfragen, kann man den Sieg erzielen. Das
hat Angela Merkel vor allen anderen verinnerlicht. In Bayern hat
sich, es ist noch nicht lange her, Edmund Stoiber mit einer
Zweidrittel-CSU-Mehrheit aber politisch den Tod geholt. Bei Merkel
ist das nicht zu befürchten. Sie ist viel normaler geblieben als ihr
politisches Umfeld. Aber nicht einmal das ist eine Garantie dafür,
dass dieser fast totale Sieg der Präsidentin im Kanzleramt die
Erwartungen des Wahlvolkes erfüllen kann. Eine Kanzlerin mit
derartiger persönlicher und politischer Macht ausgestattet, müsste in
ihrer dritten Amtszeit das glatte Gegenteil dessen exekutieren, was
ihr in den zwei zurückliegenden Amtsperioden den Nimbus der
Unbezwingbaren gebracht hat: Probleme benennen,
Entscheidungsalternativen beschreiben, Durchsetzbarkeiten prüfen und
Zumutungen beschließen. Jede Festlegung in der Sache stört den Charme
des Unverfänglichen. Die Crux beginnt ja schon beim merkwürdigen
Polit-Casting, zu dem sich jetzt Sozialdemokraten, Grüne und ganz
hinten in der Ecke auch die Linkspartei aufhübschen. Angela Merkel
trägt am Wahlabend eine schwarz-grüne Halskette. Das kann ja wohl
nicht schon alles gewesen sein. Es wird um arithmetische
Schnittmengen gezockt, aber niemand sagt wirklich, wo es hingehen
soll. Das ist Chefsache. Und damit wird es ungemütlich. Wenn es ein
eindeutiges Wählermandat an Merkel gibt, dann doch wohl dieses:
handeln, und zwar jetzt. Angela Merkel steht in der Verantwortung,
ihren ganz persönlichen Sieg zu nutzen, um mutig Neues zu denken. Es
wäre doch schön, wenn diese Wahl endlich die schon oft versprochene
geistig-politische Wende brächte.

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