Ostthüringer Zeitung: Jörg Riebartsch kommentiert: Großprojekte – wenn die Kosten laufen lernen

Von Jörg Riebartsch

Endlich mal ein Großprojekt verwirklicht: In dieser Woche wurde
die Elbphilharmonie in Hamburg eröffnet. Viel später als
beabsichtigt. Viel teurer als geplant. In ein paar Jahren wird nur
noch die Freude überwiegen, dass eine Stadt in Deutschland sich ein
solch herausragendes Projekt leisten kann.

Bei anderen Projekten muss man sich die Frage stellen, ob es
irgendwann überhaupt einen Fertigstellungstermin geben wird. Das
schönste Beispiel ist der geplante neue Berliner Großflughafen,
dessen Eröffnung bereits so oft verschoben wurde, dass man nicht mehr
in Erinnerung hat, wie oft schon und wie oft noch.

Deutsche Auftraggeber tun sich schwer mit Großprojekten. Nicht nur
unterschätzen sie Bau- und Einrichtungszeiten. Auch die Kosten laufen
so gut wie immer davon. Bauprojekte, Arbeiten zur Infrastruktur oder
auch Einrichtungen, um Energie zu erzeugen, werden in Deutschland im
Schnitt 73 Prozent teurer als geplant. Unfassbar. Wer erinnert sich
beispielsweise noch an die Maut für Lastkraftwagen, die elektronisch
an Autobahnen erfasst wird? Das System funktioniert bereits seit
einigen Jahren. Aber es hat unvorstellbare 6,9 Milliarden Euro mehr
gekostet als vorgesehen.

Was sind die Gründe dafür? Insbesondere bei Behörden, ob in Bund,
Ländern oder in Kommunen, herrschen oft zu wenig Kenntnisse von
tatsächlichen Erfordernissen in den Ausschreibungen, so dass diese
von Preisen ausgehen, die außerhalb der Amtsstuben im Leben nicht zu
verwirklichen sind. Risiken werden systematisch unterschätzt.
Vorteile werden maßlos überschätzt. Unerfahrene Planer wagen sich an
Projekte, mit denen Neuland betreten wird. Bei herkömmlichen
Aufträgen ist häufig die Kostenkontrolle unzureichend. Hier fehlt es
an Anreizen für die Planer, die ursprünglich freigegebenen Ausgaben
auch einzuhalten.

Eine andere Methode wäre, die Finger von Projekten zu lassen, die
noch nie getestet wurden. Dann gäbe es aber keine Elbphilharmonie.
Und Deutschland wäre um eine wirkliche Errungenschaft ärmer.

Pressekontakt:
Ostthüringer Zeitung
Redaktion Ostthüringer Zeitung
Telefon: +49 (0) 365  / 77 33 11 13
redaktion@otz.de

Original-Content von: Ostth?ringer Zeitung, übermittelt durch news aktuell