Wie ein EU-Land seine parlamentarische Vertretung in
Straßburg wählt, ist ihm selbst überlassen. Die Frage nach dem
gerechten Verfahren darf es nach nationalen Gesichtspunkten
beantworten. Das hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig getan:
Gerecht ist Gleichgewichtigkeit der Stimmen. Sperrklauseln seien
allenfalls zulässig, wenn sonst die politische Stabilität gefährdet
wäre.
Das wird man kaum behaupten können. Der Wegfall der Sperrklausel
wird die EU-Bürgerkammer im technischen Sinne nicht
funktionsuntüchtig machen. Wenn Christ- und Sozialdemokraten sich
zusammenraufen, wird das weiterhin zur Entscheidungsfindung reichen.
Mehrheiten gegen einen der beiden Großen werden schwerer zu
organisieren sein, das aber in Maßen. Für mehr sind die numerischen
Folgen des Urteils, das ja nur Deutschland betrifft, schlicht zu
begrenzt. Vertreter der etablierten deutschen Parteien werden auch
künftig den mit Abstand größten nationalen Block bilden.
Und dennoch ist das Urteil schlecht, weil politisch blind. Es
beantwortet die Frage nach der Gerechtigkeit schematisch. Die
Wirkungslosigkeit der Stimmen für die Splitterparteien wird lediglich
verlagert. An den Entscheidungen sind sie weiter nicht beteiligt,
wohl aber am Getöse. Die ohnehin bedenklich hohe Zahl derer wird
vergrößert, die in der europäischen Volksvertretung keine Form
demokratischer Willensbildung sehen, sondern ein Forum, um ihrem
Abscheu gegen Europa Gehör zu verschaffen.
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