Ostthüringer Zeitung: Knut Pries kommentiert: Runter vom Baum / Griechenland und die EU

Auch die linke Syriza-Partei in Griechenland tut sich
schwer, ihren Triumph in eine praktische Politik zu übersetzen, die
den zum Teil illusorischen Erwartungen der Anhänger gerecht wird.
Aus dem populären „Ab sofort ist alles ganz anders“ wird schnell ein
herbes „Nichts geht mehr“, wenn mit den EU-Partnern die Umsetzung im
einzelnen vereinbart werden soll.

Das bringt zwei Möglichkeiten: Man kann die Regierungsneulinge
aus Athen vor die Wand laufen lassen und hoffen, dass die Wähler in
anderen Problemstaaten daraus den Schluss ziehen „Linkspopulismus ist
Mist“. Oder man kann ihnen helfen, behutsam vom allzu hohen Baum der
Erwartungen herunterzuklettern. Ersteres wäre ein fataler
Fehlschluss, letzteres ist der Weg der Vernunft. Beim Besuch des
Syriza-Premiers in Brüssel haben die EU-Oberen ihn eingeschlagen.

Die Resonanz war vielversprechend: Tsipras hat bei der EU brav das
Hohe Lied von Dialog, Kooperation und Kompromiss gesungen. An
Möglichkeiten, ihm ohne Aufgabe des Prinzips „Leistung und
Gegenleistung“ entgegen zu kommen, mangelt es nicht. Die Griechen
müssen das eigene Staatswesen in Ordnung bringen, daran führt kein
Weg vorbei. Aber man kann die Fortschritte anders kontrollieren als
mit der Troika. Und was ist mit den Schulden? Deren Tilgung werden
Schäuble, Merkel und Tsipras ohnehin nicht erleben. Da richtet noch
etwas mehr Rückzahlungskosmetik keinen nennenswerten Zusatzschaden
an.

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