Wer auf die ersten Wochen der Großen Koalition
zurückblickt, auf die Hakeleien, die nervösen Profilierungsversuche
von Regierungs-Novizen und die gereizten Reaktionen der
Kabinettskollegen, mag zweifeln an den Erfolgsaussichten. Doch ein
Vergleich mit Schwarz-Gelb führt in die Irre. Die Vorgängerregierung
war sich in zentralen Fragen wie der Steuerreform von Beginn an
völlig uneins, ihr Koalitionsvertrag klammerte alle Konflikte einfach
aus. Die Große Koalition startet auf deutlich soliderer Basis,
inhaltlich wie personell. Der Stil der ersten Wochen war zwar
enttäuschend, aber die Koalition verfolgt immerhin vom Start weg ein
durchaus ambitioniertes Programm. Die Frage ist nur, wem die Wähler
die Erfolge am Ende gutschreiben. Daraus ist jetzt schon ein
gegenseitiges Misstrauen erwachsen, das auch ein gemütlicher Abend am
Schloss-Kamin nicht ausräumen kann. Mit bemerkenswerter Deutlichkeit
hat die Kanzlerin den SPD-Ministern auf Ego-Trip die Grenzen
aufgezeigt: Merkel pocht auf gemeinsame Verantwortung,sie duldet
keine Alleingänge. Vizekanzler Gabriel hat vorerst eingelenkt, er
braucht die Stabilität der Koalition für seine persönlichen Pläne.
Aber der Konflikt um die Deutungshoheit wird bald wieder aufbrechen,
spätestens im nahenden Europawahlkampf.
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