Ostthüringer Zeitung: Wolfgang Schütze glossiert: Björn, komm nachsitzen!

Mal angenommen, Björn wäre ein Schüler, der – nun
sagen wir es freundlich – in Geschichte eklatante Schwächen in
sich und immer öfter auch nach außen trägt. Was würde man wohl mit
diesem Bürschlein anstellen?

Neenee , keine Klassenkeile in der Pause; es gilt immer noch die
Regel: Keine Gewalt!

Vom Unterricht ausladen, weil er–s ja schon letzte Woche nicht
gerafft hat? Durchaus verständlich, aber irgendwie nicht die
cleverste Antwort auf gezielte Provokationen.

Ein Pauker alter Güte, der nicht von Helikopter-Eltern und ihren
Anwälten umzingelt ist, würde wohl nicht über jedes Stöckchen
springen, das ihm der Björn da hinhält. Er würde ihn fordern und
fördern, unter anderem durch Nachsitzen. Björn hat–s wahrlich nötig.

Wenn er zum Beispiel nicht wissen sollte, wo im sogenannten
Tausendjährigen Reich, das zum Glück nur zwölf Jahre währte,
Nationalsozialisten in ganz Europa als Konzentrationslager
umgedeutete Mord- und Vernichtungsstätten einrichteten – einfach mal
nach vorn rufen, den Jungen aus der rechten Bankreihe, und
„Kartenzeigen“ lassen. So hieß das früher, wenn bestimmte Orte auf
Deutschland- und Weltkarten gefunden werden mussten.

Eventuell hat es auch Zeugnis verbessernde Wirkung, im
Sprachunterricht das schwierige Wort „Holocaust“ buchstabieren zu
lassen. So lange, bis der Björn weiß, was das ist: nämlich die
geplante und fabrikmäßig betriebene Ermordung von rund sechs
Millionen Juden durch Nationalsozialisten. Und dass man sich gerade
wegen dieser Ungeheuerlichkeit nicht so doof ausdrücken darf wie
Björn vor seiner Clique. Also, bis zum nächsten Montag 100 mal nicht
in Runen, sondern in Schönschrift: Ich will mich nicht mehr doof
ausdrücken.

Und wenn der Björn dann immer noch die „Erinnerungskultur um 180
Grad“ drehen und wenden will – einfach dem Kollegen Sportlehrer
Bescheid sagen. Da kann der Björn auch gleich seine deutsche
Männlichkeit beweisen: Drehen, wenden, drehen, wenden. Bis die
Schwarte knackt.

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