Ostthüringer Zeitung: Wolfgang Schütze kommentiert: Edathy und Rudolstadt

Sebastian Edathy, einst große Hoffnung der deutschen
Sozialdemokratie, hat derzeit augenscheinlich Stress: mit der
Staatsanwaltschaft, mit Medien; möglicherweise mit sich selbst.

Der ehemalige innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
wünscht sich Fairness – angesichts der Berichte über eine mögliche
Verwicklung in kinderpornografische Kreise. Es gab Durchsuchungen von
Büros und Wohnungen, nicht abreißende Medienberichte, und auch die
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen weiter.Und bei all dem
geht Herr Edathy davon aus, dass die Unschuldsvermutung auch für ihn
gilt.

Was aber hat das alles mit Rudolstadt zu tun? Fairness in der
Berichterstattung, Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils
– all das hätte sich auch Rudolstadt gewünscht, als 2008 eine Welle
der Empörung und Beschimpfung über die Kleinstadt in Ostthüringen
hinwegrollte. Damals hatte ein im Westen sozialisierter Pfarrer
behauptet, seine aus Indien stammende Frau würde in der Stadt
schikaniert und beschimpft, seine Kinder in der Schule verprügelt.
Und vor all dem „Alltagsrassismus“ in Rudolstadt floh die Familie
zurück in den Westen. Nur weg von diesem (angeblichen) rechten
Rattennest!

Auslöser der rufschädigenden Kampagne war damals Sebastian
Edathy. Er sei auf die Erlebnisse der Pfarrersfamilie durch eine
Ex-Mitschülerin aufmerksam gemacht worden, antwortete er mir im
Internetportal „abgeordnetenwatch.de“. Daraufhin sei ein Kontakt
zwischen Edathy, Sohn eines Inders und einer Deutschen, und der
Familie in Rudolstadt entstanden. Ein Journalist bekam hernach einen
Tipp und – so Edathy – „fand die Erlebnisberichte der Familie
glaubwürdig“.

Die „Flucht aus dem Osten“ ging durch viele Medien. Berichte, dass
sich von den Vorwürfen kaum etwas beweisen ließ, dass
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingestellt wurden, fanden
überregional dann nicht mehr so viel Raum…

Fairness? Unschuldsvermutung? Klar, immer und überall und für
jeden. Und nicht erst, wenn einer vom hohen Ross heruntergefallen
ist.

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