Manche Politiker können sich eine Scheibe abschneiden
vom Verhalten der meisten Berliner. Das Leben in der Hauptstadt geht
weiter, berichten Freunde. Nicht so, als sei nichts geschehen, als
habe es den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz
nicht gegeben.
Denn selbstverständlich wird um die Opfer getrauert, hat man
bei großen Menschenansammlungen ein bisschen mehr Muffensausen als
früher, aber ungezählte Leute leben auch ihren Trotz aus: Sie gehen
weiter auf Weihnachtsmärkte, sie genießen so gut es geht das freie
Leben in einer freien Stadt.
Das unterscheidet die Millionen-Metropole von Leuten, die sich
wie ein Hühnerhaufen gebärden, der gerade vom Fuchs heimgesucht
wurde. Alles ist vertreten: Während sich Horst Seehofer (CSU) und
Marcus Pretzell (AfD) in Übertreibung gefallen, halten Katrin
Göring-Eckardt (Grüne) und Aydan Özoguz (SPD) mit Untertreibung
dagegen. Man wünschte sich, die Schwingungen glichen sich aus – und
in der Politik wär– mal eine Zeit lang Stille.
Statt dessen aber gackern viele Parteifunktionäre in
bereitwilligst hingehaltene Mikrofone – als gäbe es morgen keine
Chance mehr sich zu äußern. „Postfaktisches“ wird durch
„Präfaktisches“ ersetzt. Auch in den sogenannten sozialen
Netzwerken feiern Selbstbespiegelung und Hass fröhlich
Urständ: Die einen beschimpfen die „Lügenpresse“, weil sie
Mutmaßungen so nennt und abwartet, bis sich Tatsachen herausstellen.
Und die anderen geißeln es sogleich als „Polizeiskandal“, nur weil
sich ein Verdacht nach näherer Prüfung als nicht haltbar erweist.
Es kann ja sein, dass die Sicherheits- und Flüchtlingspolitik in
Deutschland im Lichte des Anschlags von Berlin und vorheriger
islamistisch geprägter Vorkommnisse neu betrachtet werden muss. Aber
dazu braucht es Fakten, geschaffen unter anderem von Polizei und
Justiz. Angela Merkel hat schwere Fehler gemacht, gewiss. Aber nicht
für jeden Fehler, zum Beispiel bei Duldung und Abschiebung, ist die
Kanzlerin verantwortlich.
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