
Der Frühling naht. Die ersten Sonnenstrahlen des Jahres locken vermehrt Kundschaft in die Außenbereiche der Cafés, Bars und Restaurants überall in Deutschland. Gleichwohl hält sich der Optimismus bei vielen Gastronomen in Grenzen. Denn die Pandemie hat die Personaldecke ausgedünnt. Fast jeden vierten Beschäftigten musste das Gastgewerbe im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 ziehen lassen, wie es aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Die Personalfrage wird immer dringlicher. Konzepte, um den Neustart nach dem Pandemiewinter erfolgreich zu meistern, sind gefragter denn je.
Stress, Unsicherheit, negatives Image: Die Gründe für den Fachkraftemängel im Gastgewerbe
Dass die Arbeit in der Gastronomie nicht nur Vorteile hat, ist landläufig bekannt. Bereitschaft, auch an Feiertagen zu arbeiten und eine gewisse Resistenz gegen Hektik werden beim Personal seit jeher vorausgesetzt. Und dennoch: Allein im Jahr 2020 waren über eine Million Menschen in der Branche beschäftigt. Doch die wachsende Unsicherheit durch die wechselnden Gesetzmäßigkeiten während der Lock-Down-Politik hat Spuren hinterlassen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) gibt an, dass allein unter den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten seit 2019 mehr als jeder Zehnte der Branche den Rücken gekehrt hat. „Durch die Pandemie gab es eine massive Abwanderung von Fachkräften in zum Teil komplett branchenfremde Sparten“, stellt auch Ben Bantschow fest. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Gastro Mission, betreibt mit Bruder und Frau selbst ein Catering-Service sowie ein Restaurant und weiß um die schwierige Lage vieler Kollegen. Denn aus der Unsicherheit heraus hätten viele Arbeitnehmer ihren Job gegen vermeintlich sicherere Anstellungen etwa im Lebensmitteleinzelhandel eingetauscht, erklärt Bantschow die Abgänge in der Branche.
Abgänge, die derzeit offenbar auch nicht von Nachwuchskräften kompensiert werden können. Denn auch hier sind die Zahlen rückläufig. Im Vergleich zum Vorjahr entschlossen sich 20% weniger Neuazubis für die Ausbildung zum Restaurantfachmann. Die Zahl derjenigen, die eine Ausbildung zum Koch begannen, sank ebenfalls um ein Fünftel, so die oberste deutsche Statistikbehörde. „Wir benötigen eine Marketingoffensive, vor allem seitens unseres Verbandes. Intensive und vor allem zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit. Die Gastro muss letztlich für den Nachwuchs sexy gemacht werden“, fordert Restaurantberater Bantschow, der in 10 Jahren mehrere Betriebe mit aufgebaut hat.
Wertschätzung und Standardisierung als Weg aus der Krise?
Angesichts der Herausforderungen für die Branche scheint es jedoch mit guter Kommunikation allein noch nicht getan zu sein. Ein neues Mind-Set hält die Familie Bantschow für notwendig, um die Trendwende zu schaffen. David Bantschow: „Wir müssen selbstbewusst angemessene und wertschätzende Preise nehmen. Dann können wir auch wertschätzende Gehälter für tolle, ambitionierte Menschen zahlen.“ Für eine Großzahl von Restaurant- und Cafébetreibern dürften derlei Gedankenspiele jedoch erst aufkommen, wenn die akuten Pandemiefolgen überwunden sind. Viele Betriebe stehen vor der schwierigen Aufgabe, die anstehende Saison auch mit einem ausgedünnten Team zu meistern und gleichzeitig Qualität sowie verbliebene Mitarbeiter zu halten. Für das Bantschow-Trio, das beim Aufbau eines Catering-Service ähnliche Erfahrungen machen musste, gibt es nur eine Antwort: „Volle Automatisierung und Standardisierung“. Mit den Gastronomen, die in die Beratung kommen, werden die Betriebsabläufe aus Kunden-, Mitarbeiter- und Lieferantensicht analysiert und neu organisiert. Je besser das gelingt, ist die Geschäftsführung von gastro-mission überzeugt, desto unabhängiger werde das Restaurant von einzelnen Fachkräften und Mitarbeiterfluktuation. „Keine One-Man-Shows und Stress, sondern delegieren und vertrauen“, ist die Maßgabe, mit der er klare Verantwortlichkeiten und strukturiertes Teamwork etablieren will.
Eine neue Chance für eine gestärkte Gastronomie
Deshalb versucht Familie Bantschow trotz der turbulenten letzten zwei Jahre Optimismus zu beschwören, um Veränderungen in der Branche voranzutreiben. Ein pauschales Patentrezept gibt es wohl nicht. Doch die durch Prozessoptimierung und Standardisierung gewonnenen Freiräume und auch die Entlastung von Stress und Druck, könnte dabei helfen, den Neustart zu erleichtern und sei zugleich eine Chance das Image der Gastronomie nachhaltig zu verbessern. Eine Kampfansage an den Status Quo, auf die die Branche schon länger gewartet haben dürfte.