Der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) hat
vor einem Zerfall der Europäischen Union gewarnt.
Er fürchte nicht, dass die EU mit einem Knall aufhöre zu
existieren, sagte Verheugen am Montag dem rbb-inforadio. „Meine Sorge
ist, dass wir einen langen und schleichenden Niedergang erleben,
einen immer größer werdenden politischen und wirtschaftlichen
Bedeutungsverlust – und dass die Europäische Union ihre beiden großen
Versprechen, nämlich Frieden und Wohlstand für die Menschen in
Europa, nicht mehr halten kann. Und wenn ich die Zeichen der Zeit
richtig deute, […] dann hat dieser Niedergang ja wohl schon
begonnen.“
In den europäischen Gesellschaften werde der Zweifel an der
Funktionsfähigkeit, ja an der Sinnhaftigkeit des ganzen Projekts
immer größer. „Die Regierungen müssen begreifen, dass sie sich nicht
an kurzfristigen nationalen Interessen und vor allem nicht an ihren
eigenen parteipolitischen Interessen orientieren dürfen, sondern dass
sie Europa wieder als eine unauflösliche Schicksalsgemeinschaft
betrachten müssen und das Gemeinschaftsinteresse vor das nationale
Interesse stellen müssen.“
Die vereinbarte Verteilung der Flüchtlinge nach Quoten auf die
Mitgliedsstaaten bezeichnete Verheugen als gescheitert. Wenn es im
selben Tempo weitergehe, dann sei die EU damit im Jahr 2100 fertig.
Das Hauptproblem sei die mangelnde Solidarität innerhalb Europas. Das
betreffe nicht nur die Flüchtlingsfrage. „Die anderen Länder denken
beispielsweise, dass Deutschland sich unsolidarisch verhalten hat in
der Frage der Währungsunion, aber auch in der Flüchtlingsfrage.“ Nach
Meinung einiger Länder habe Deutschland die Flüchtlinge sozusagen
eingeladen und müsse nun mit ihnen fertig werden.
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