Heute sind es noch 78 Tage bis zur
Bundestagswahl. Elf Wochen bleiben dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer
Steinbrück, Amtsinhaberin Angela Merkel in Bedrängnis zu bringen. Das
ist wenig Zeit für den Herausforderer, bedenkt man, dass Deutschland
– NRW ist in diesem Jahr spät dran – weit mehr als die Hälfte davon
in den Ferien weilt. Die Wähler zwischen Baggersee und Playa mit
„Mundfunk und Laufwerk“ (Steinbrück 1.0) zu erreichen, scheint nahezu
unmöglich. Die Werte der SPD sind desaströs, die ihres Kandidaten
nicht minder. Ihm attestieren die Demoskopen verheerende
Sympathienoten; er wird nicht als Anführer einer Formation
wahrgenommen, die auf Sieg und Wechsel, sondern die auf Platz in der
großen Koalition setzt. Kann sich das noch verändern? Steinbrück
nannte gestern die Wahl 2005 als Beispiel, als Oppositionsführerin
Angela Merkel auch Monate vor der Wahl ähnlich uneinholbar schien wie
heute. Doch der Vergleich ist wie so vieles in Steinbrücks Wahlkampf
ein Bumerang. Der SPD-Kanzler hieß damals Gerhard Schröder. Er war
der vielleicht begnadetste Wahlkämpfer, den die Sozialdemokraten
jemals hatten. Ein politisches Urviech, das erst im Getöse der
politischen Auseinandersetzung zur Höchstform auflief, ohne Skrupel
in den politischen Nahkampf gehend. Zwar war auch Schröder wie sein
Möchtegern-Nachfolger zuweilen larmoyant, er befreite sich aber
anders als Steinbrück immer wieder aus dieser Motivationsfalle für
sich selbst und seine Anhänger. Die 2005er Merkel verfügte zudem
nicht über den Amtsbonus der Kanzlerin. Mag man auch über ihre
aktuelle aktionistische Gipfelei schmunzeln – Fakt bleibt, dass es
ihr gelungen ist, jeden Wechselwillen im Hinblick auf ihre Person bis
weit in das rot-grüne Lager zu ersticken. Merkel ist sehr beliebt und
allen genehm, wenig hinterfragt, sogar gleich mit zwei Kosenamen
bedacht: „Angie“ und „Mutti“. So beginnt das Rechnen, befeuert von
jüngsten Umfragen und Wahlkreisanalysen, ob am Ende nicht sogar eine
absolute Mehrheit der Mandate für die MCDU, die Merkel-CDU, möglich
wäre. Das setzte allerdings voraus, dass sie das weitgehend
ausmobilisierte, siegesgewisse bürgerliche Lager tatsächlich am
Wahltag an die Urnen brächte und noch viele enttäuschte
Steinbrück-Wähler hinüberzöge. Unmöglich? 2005 hätte am Wahlabend
wohl niemand erwartet, dass die Wahlverliererin Merkel acht Jahre
später immer noch eine strahlende Kanzlerin abgibt.
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