Rheinische Post:Ägypten in München

Ein Kommentar von Gregor Mayntz:

Nun sitzen sie wieder in München zusammen, die Staats- und
Regierungschefs, die Verteidigungs- und Außenminister und all die
hochkarätigen Sicherheitsexperten, die es gewohnt sind, im Kopf die
größten Strategien und Visionen zu bewegen. Doch was in Kairo die
Menschen auf der Straße bewegt, das macht sie ratlos. Bestenfalls.
Denn eigentlich werden sie geplagt von einem denkbar schlechten
Gewissen. Jeder Ruf nach einer Ablösung des korrupten Regimes mischt
sich in den Ohren der Mächtigen der Welt mit ihrer Erinnerung an die
eigene Vorliebe, über Jahrzehnte eben diese prowestlichen Potentaten
unterstützt zu haben. Andernfalls, so die bequeme Annahme, hätten
Mullah-Staaten nach iranischem Vorbild gedroht. Nun haben die
Strategen und Visionäre von München genauer hingeschaut und
Erstaunliches entdeckt: Da schreien Millionen Menschen nicht etwa
nach der Scharia und der Herrschaft des Islam, sondern sie wollen
Arbeit, Freiheit, Bildung und Wohlstand. Also genau das, wofür auch
die Nato als westliches Wertebündnis eintritt. Das macht die Akteure
sprachlos. Sehr zaghaft wächst die Neigung, sich auf die Seite des
Protestes zu stellen. Das Zögern hat auch mit kolonialer
Vergangenheit einiger Akteure zu tun. Um so dringlicher ist es, in
München wenigstens eine gemeinsame Sprache zu finden.

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