Ein Kommentar von Helmut Michelis:
Der aufgewiegelte Mob bewirft ein Bundeswehr-Lager in Talokan mit
Steinen – und schon treten die deutschen Soldaten den Rückzug an und
bringen sich in Kundus in Sicherheit. Das klingt hasenfüßig und nach
einer Kapitulation vor den Taliban, die die Proteste gegen die
Koran-Verbrennung durch US-Soldaten geschickt geschürt haben. So
sahen es gestern auch die afghanischen Offiziellen. Bei näherem
Hinsehen ist die Entscheidung jedoch richtig. Denn der Stützpunkt in
Talokan, ein kleiner Außenposten etwa so groß wie ein Fußballfeld,
war bereits am 15. Februar offiziell an die afghanischen
Sicherheitskräfte übergeben worden und wurde gerade geräumt. Es ist
unklug und unnötig, in dieser aufgeheizten Situation weitere Opfer
unter Deutschen und Afghanen zu provozieren. Der Aufruhr sei vor
allem dank der afghanischen Sicherheitskräfte inzwischen im Griff,
heißt es von Nato-Seite. Das wäre ein Hoffnungsschimmer. Es ist aber
zu befürchten, dass der vorzeitige Rückzug aus Talokan symbolisch für
einen zu frühen Truppenabzug der Nato aus Afghanistan steht. Die
Taliban verstehen es, mit der „Waffe Religion“ die meist ungebildete
Bevölkerung gegen die „ungläubigen Eindringlinge“ aufzuhetzen. Das
bleibt besorgniserregend.
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