Rheinische Post: Der Papst spricht weise

Dummheit und Klugheit sind im Bundestag gemäß
der Gaußschen Normalverteilung vertreten. Gestern jedoch blieb die
Dummheit vor der Tür des Reichstags, die Klugheit dagegen stand am
Rednerpult oder saß davor. Vor dem Reichstag demonstrierten einige
Abgeordnete der SPD, der Grünen und der „Linken“. Im Reichstag
dagegen erlebte die Mehrheit der Parlamentarier einen seine Worte
wägenden, Zeichen der Hoffnung sendenden Papst. Jeder im Plenarsaal
war sich der Einzigartigkeit des Moments bewusst. Einen deutschen
Papst im deutschen Parlament werden wir nicht noch einmal erleben.
Benedikt enttäuschte jene, die laut und oft ahnungslos Revolutionen
in der Weltkirche – ob bei Zölibat oder Ökumene – fordern. Der
Gelehrte auf dem Heiligen Stuhl hielt vielmehr eine Vorlesung, die es
in sich hatte: ein intellektuelles und dennoch flammendes Plädoyer
gegen zeitgeistigen Individualismus. Bundespräsident Christian Wulff,
lange im Amt blass geblieben, erreichte zuvor ebenfalls hohes Niveau.
Der mit einer Protestantin wiederverheiratete Katholik mahnte die
Tugend der Barmherzigkeit für jene, deren Lebensentwürfe scheiterten,
dort an, wo in der offiziellen Lehre noch Hartherzigkeit, in vielen
Gemeinden aber längst Lebensnähe regiert. Dieser erste Tag des
Papst-Besuches versprach einiges für die Tage, die noch vor uns
liegen.

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