Ein „lupenreiner Demokrat“, wie Gerhard
Schröder einst seinen Freund Wladimir Putin nannte, ist mehr als
genug für Europa. Doch die durch den Wahlerfolg noch gewachsene
Selbstherrlichkeit des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan
ähnelt der des Kreml-Herrschers: Beiden Machtmenschen ist es egal,
was andere Staaten zum Beispiel zur Beschneidung der Demokratie in
ihren Ländern sagen. Um des Wahlsiegs willen hatten Erdogans
AKP-Gefährten offenbar sogar einen Einmarsch in Syrien erwogen – und
hätten die zum Schutz der Türkei an der syrischen Grenze
stationierten deutschen Flugabwehr-Soldaten skrupellos in den Krieg
hineingezogen. Es ist nicht zu erwarten, dass Erdogan, der jetzt
nahtlos in den Wahlkampf ums Präsidentenamt wechselt, die
Internet-Zensur lockert oder auf seine Kritiker zugeht. Wie Putin
setzt er innenpolitisch auf Härte, nicht auf Dialog. Vom langjährigen
Ziel einer EU-Mitgliedschaft hat sich die Türkei damit noch weiter
entfernt; auch das deutsch-türkische Verhältnis ist belastet. Aber
das alles scheint Erdogan zweitrangig zu sein. Seinem Land erweist er
einen Bärendienst.
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