Rheinische Post: Die Schuldfrage

Nichts war in diesem Prozess so eindeutig wie
die Tat des Angeklagten, das furchtbare Morden des Anders Behring
Breivik. Zumindest das ist damit den Angehörigen der Opfer erspart
geblieben: das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung. Was
es dennoch zehn Wochen zu verhandeln gab? Die Rekonstruktion einer
Tat, das Bemühen, eine Erklärung für das Unbegreifliche zu finden,
aber auch der Nachweis, dass auch einem Massenmörder ein
rechtsstaatliches Verfahren zusteht. Das ist die Stärke, nicht die
Schwäche einer Demokratie. Und auch das scheint sicher zu sein: dass
Breivik, der im Juli 2011 auf der Insel Utöya 77 Menschen tötete, in
seinem Leben nicht mehr auf freien Fuß kommen wird. Sei es, dass er
in eine Psychiatrie oder für 21 Jahre in eine Strafanstalt mit
anschließender Sicherungsverwahrung verbracht wird. Die noch zu
beantwortende Frage aber lautet: Ist Breivik nun schuld- oder doch
unzurechnungsfähig? Die Antwort der Richter wird wesentlich sein –
gerade für die Hinterbliebenen. Denn mit der Schuldfähigkeit wird dem
Täter zumindest eine direkte Verantwortung zugewiesen, wird eine
Klarheit geschaffen, die der Bewältigung des 22. Juli dienen kann –
ein Schuldspruch als Befreiung vom Unfassbaren.

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