Ein Kommentar von Lothar Schröder:
Dieser Tage wird niemand schief angeschaut, der Anders Breivik die
Todesstrafe wünscht – dem mutmaßlichen, noch immer so furchtbar
selbstgewissen Massenmörder von Oslo. Das sind erste Impulse, die vom
Hass regiert und von der Verzweiflung genährt werden. Denn alles an
dieser Tat ist Wahnsinn, der sich den Kategorien unseres Verstandes
entzieht. Das Todesurteil aber ist keine Strafe; es ist pure
Vernichtung, mit der etwas für immer aus der Welt geschafft werden
soll, was in ihr wütete. Die Todesstrafe ist somit der verzweifelte
Versuch, das Unfassbare auszulöschen. Solche finale Gewalt würde aber
auch unsere Gesellschaft verändern, indem sie sich der gleichen
Mittel wie der Täter bediente. Breivik ist kein „Teufel“, keine
„Killer-Bestie“, wie es jetzt heißt. Er stammt aus unserer
Gesellschaft, die ihn nach ihren Gesetzen zu richten, aber auch seine
unverfügbare Menschenwürde zu achten hat. Für viele ist das kaum zu
begreifen, für die Angehörigen der Opfer dürfte es schwer erträglich
sein. Das ist nicht die Schwäche unserer Zivilisation, sondern ihre
Stärke. Nur dadurch werden wir wieder jene Offenheit zurückgewinnen,
die von der Freiheitsidee beseelt und nicht von Angst gebeutelt wird.
Die Tat von Oslo wird uns zum Prüfstein: Menschenrecht und
Menschenwürde sind nicht der einzige Kitt unserer freiheitlichen
Gesellschaft – aber der letzte.
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