Hat in unserer Nachkriegsrepublik jemals ein
Mensch die Geister derart aufgewühlt wie Karl-Theodor zu Guttenberg?
Ja, Thilo Sarrazin. Aber beim sozialdemokratischen Bundesbanker ging
es um die Sicht auf Integration in unserem Land und darum, wie wir
mit Provokation umgehen. Beim christsozialen Baron geht es
mittlerweile offenkundig um uns selbst. Anders ist die Leidenschaft
nicht zu erklären, mit der die Deutschen aneinander zweifeln. Wie
kann es sein, dass sich 75 Prozent der Bürger derart emotional
aufgeladen hinter Guttenberg stellen, obwohl dieser gegen bürgerliche
Kernüberzeugungen von Ehrlichkeit, Redlichkeit und Verlässlichkeit
verstoßen hat, fragen sich kopfschüttelnd die übrigen 25 Prozent.
Umgekehrt bekommen diese von den Guttenberg-Fans vorgehalten, in
überheblichen Reflexen gefangen zu sein und die herausragende Statur
dieses Ausnahmetalentes zu verkennen. Guttenberg selbst füttert den
Konflikt jeden Tag mit neuer Munition. Seine Entschuldigung für
atemberaubend weitflächige Plagiate und sein Verweis, halt ein Mensch
mit Fehlern und Schwächen zu sein, empfinden die einen als widerliche
Inszenierung, die anderen als Beweis für die Integrität des zu
Unrecht Verfolgten. Dieses Phänomen schreit danach, wissenschaftlich
untersucht zu werden. Wohlan, Ihr Guttenberg-Doktoranden!
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