Keine der aktuell im Bundestag vertretenen 
Parteien muss sich so große Sorgen um ihre Zukunft machen wie die 
SPD. Und was machen die Sozialdemokraten? Sie statten ihre neue 
Parteichefin mit einem so schwachen Wahlergebnis aus, dass es fast 
wie eine Niederlage wirkt. Ein Sieg wie eine Ohrfeige. Klug ist das 
nicht. Zumal die Vorstellung ihrer Gegnerin inhaltlich dünn war. 
Nahles ist die erste Parteichefin in der 155-jährigen Geschichte der 
Partei. Diesen historischen Moment vergeigen die Genossen. Aufbruch 
geht anders. Und der Begriff der Erneuerung ist von den 
Sozialdemokraten schon so überstrapaziert worden, dass er zur leeren 
Hülle verkommen ist. Die SPD muss endlich damit aufhören, sich 
überwiegend mit sich selbst zu beschäftigen. Nach drei Parteitagen in
fünf Monaten ist es wirklich an der Zeit, die aktuellen 
Herausforderungen beispielsweise einer sich digitalisierenden 
Arbeitswelt, des Pflegenotstands und internationaler Krisen 
anzupacken. Dabei müssen Konzepte für die Zukunft entstehen. Sicher, 
Parteien brauchen lebendige und strittige Debatten. Sie sollten aber 
nicht wie bei der SPD zur Selbstzerfleischung führen. Der aggressive 
Ton, in dem die Sozialdemokraten in sozialen Netzwerken zuletzt ihre 
Differenzen über Nahles als künftige Vorsitzende ausgetragen haben, 
war unwürdig. Die SPD hat nur eine Chance, sich als Volkspartei zu 
berappeln, wenn sie sich zur Abwechslung mal wieder wie eine 
Volkspartei aufführt. Sie muss ein breites Meinungsspektrum 
integrieren und nicht wie eine politische Splittergruppe daran 
scheitern. Zudem müssen die Debatten von der Partei weg hin zu den 
konkreten Problemen im Land getragen werden. Die Parteiführung hat 
diese Notwendigkeit erkannt und will auch Nicht-Mitglieder einbinden.
Dabei wird Nahles darauf achten müssen, die Partei in der Mitte der 
Gesellschaft zu halten. So wenig es den Unionsparteien nutzt, die AfD
zu kopieren, so wenig hilft es der SPD, den Linkspopulisten nach dem 
Mund zu reden. Mit Hartz-IV abschaffen und Vermögensteuer einführen 
wird die SPD jedenfalls nicht wieder Richtung 30 Prozent kommen. Den 
Sozialdemokraten stehen 2018 und 2019 fünf risikoreiche 
Landtagswahlen bevor: Bayern, wo sie auf die Oppositionsrolle 
festgelegt sind. Hessen, wo wahrscheinlich Schwarz-Grün weitermachen 
kann. Brandenburg, wo die AfD mit der SPD in Umfragen gleichauf 
liegt. Sachsen, wo die Partei um Zweistelligkeit kämpfen muss, und 
Mecklenburg-Vorpommern, wo AfD und NPD auf dem Vormarsch sind. Nahles
wichtigster Job ist es, den Bürgern zu vermitteln, dass die SPD 
Politik für ihre Bedürfnisse macht. Alleine wird sie das nicht 
schaffen. Dafür braucht sie schon eine Partei, die hinter ihr steht.
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