Ein Kommentar von Gregor Mayntz:
Langer Atem und viel Beharrungsvermögen gehören zuweilen zu den
wichtigsten Eigenschaften erfolgreicher Politiker. Hätte Helmut Kohl
die Nerven verloren, als ihm 1989 innerparteilich der Sturm der
Kritiker ins Gesicht blies – wir hätten heute nicht diesen „Kanzler
der Einheit“. Und hätte Karl-Theodor zu Guttenberg zehn Tage länger
durchgehalten – sein Doktorarbeits-Betrug wäre thematisch von der
Atomangst überrollt worden, es wäre zumindest möglich gewesen,
demütig im Amt still die Wende zu versuchen. Anders sieht es für
Guido Westerwelle aus. Der hatte mit dem Aufstand der arabischen
Völker an Statur und Ansehen gewonnen und schien den Machterhalt im
liberalen Stammland noch einmal zu schaffen. Das von den liberalen
Erfolgen bei der Hamburg-Wahl gedüngte Pflänzchen Hoffnung für die
Westerwelle-FDP ist indes vom Tsunami weggespült worden. Im ersten
Augenblick wirkte Westerwelle am Wahlsonntag gefestigt, weil der
Ersatz für den Interimsvorsitz, Rainer Brüderle, gefleddert aus der
Rheinland-Pfalz-Wahl hervorging. Dennoch ist Westerwelle angezählt.
Ob er ausgezählt wird, hat er auch selbst in der Hand. Mit seinem
Schweigen lässt er Raum für kräftige Sägearbeiten an seinem Stuhl.
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