Rheinische Post: Fragen Sie Frau Merkel Kommentar Von Horst Thoren

Erscheint die Bundeskanzlerin auf dem
Bildschirm, schaltet jeder siebte Zuschauer ab. Die Abstimmung mit
der Fernbedienung hat Angela Merkel an Silvester verloren. Ihre
Neujahrsansprache drückte nach der Tagesschau die Einschaltquote im
Ersten deutlich nach unten. Das wirft Fragen auf: Können die
Deutschen ihre Kanzlerin nicht mehr sehen? Hat Merkels
„Wir-schaffen-das!“ das flüchtlingsferne Fernsehpublikum verschreckt?
Wohl kaum. Die Mehrheit trägt, wenn auch über Mängel murrend, ihren
Flüchtlingskurs weiterhin mit. Das Thema Flüchtlinge liegt der
Bevölkerung auf der Seele. Insoweit hat Angela Merkel den richtigen
Ton getroffen. Ihre Botschaft erreichte aber – über alle Kanäle – nur
einen Bruchteil der Bevölkerung. Das liegt vor allem am falschen
Format, das wie „Dinner for one“ kaum Überraschungen bietet („the
same procedure as every year“) und den Dialog ausschließt. Verkündet
wird wie von der Kanzel herab. Die Zeit der Frontal-Beschallung aber
ist vorbei. Die Einschaltquoten steigen, wo Spannung aufkommt. Angela
Merkel sollte auf die Neujahrsansprache verzichten. Stattdessen
lieber Fragen beantworten. Davon gibt es schließlich mehr als genug.

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