Ein Kommentar von Anja Ingenrieth:
Mario Monti und Angela Merkel haben sich gestern redlich bemüht,
Harmonie auszustrahlen. Doch so recht mag man an die schöne Eintracht
zwischen Italiens Ministerpräsident und der Bundeskanzlerin nicht
glauben. Allzu rüde hatte Monti die Kanzlerin beim letzten EU-Gipfel
unter Druck gesetzt, manche sagen auch: schamlos erpresst. Monti, in
den man in Berlin einst große Hoffnungen gesetzt hatte, nahm im
Streit um die Euro-Politik gemeinsam mit Franzosen und Spaniern die
Deutschen in die Zange. Nach dem Gipfel ließ Monti sich in der Heimat
wie ein Drachentöter feiern. Diese miese Tour wird Merkel so schnell
nicht vergessen – Politiker sind schließlich auch nur Menschen.
Trotzdem: Revanchefouls darf es jetzt nicht geben. Merkel braucht
Monti, und umgekehrt gilt das sowieso. Wenn Europa erst einmal in
offene Verteilungskämpfe zwischen Nord und Süd abgleitet, ist nicht
nur der Euro, sondern auch die gesamte EU dem Untergang geweiht.
Durch Frankreichs neuen Präsidenten François Hollande hat sich das
politische Kräfteverhältnis schon verschoben. Der „Club Med“ der
Südländer strebt eine Transfer- und Haftungsunion an, und zwar mit
möglichst wenig Brüsseler Kontrolle. Merkel stemmt sich dagegen, und
zwar zu Recht. Sie muss nur noch deutlicher sagen, warum: nicht aus
Egoismus, sondern für Europa.
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