Rheinische Post: Gerechtes Urteil gegen Middelhoff Kommentar Von Georg Winters

Nein, erwartet hat dieses Urteil gegen Thomas
Middelhoff niemand. Selbst jene, die nicht mit einem Freispruch
rechneten, müssen zugeben, dass sie allenfalls eine Bewährungs-
und/oder Geldstrafe auf dem Schirm hatten. Jetzt muss Middelhoff in
Haft – wenn das Urteil rechtskräftig wird. Eine gerechte
Entscheidung. Hohn und Spott für einen Mann, der tief gefallen ist,
sind fehl am Platz. Stattdessen mag man darüber streiten, ob selbst
bei zwei Fällen von schwerer Untreue nicht doch eine Bewährungsstrafe
möglich gewesen wäre. Schließlich galt Middelhoff bis zu diesem
Verfahren als unbescholtener Bürger, und seine Sozialprognose dürfte
auch nicht gerade die eines Wiederholungstäters sein. Doch die
formaljuristische Betrachtung ist nur eine Seite. Viel wichtiger ist,
dass mit der Entscheidung des Landgerichts Essen ein Urteil gefällt
wird gegen einen Mann, der jedes Unrechtsbewusstsein verloren hat.
Ein Manager, der glaubt, er könne seinem Arbeitgeber ungestraft
sechsstellige Beträge für private Belange zahlen lassen, zeigt, dass
er der realen Welt komplett entrückt ist. Wenn das Urteil den
Middelhoffs dieser Welt zu mehr Bodenhaftung verhilft, ist es nicht
nur gerecht, sondern vielleicht auch eines mit Langzeitwirkung.

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