Ich habe aufgehört zu zählen, der wievielte
„Koalitionsausschuss“ oder „Krisengipfel“ im Bundeskanzleramt
stattfindet. Die Bilder ähneln sich: Dunkle Limousinen fahren vor,
Mikrofonhälse recken sich den Röslers und Seehofers entgegen. Diese
berichten spätabends von „Fortschritten“ und „Einigung“. Doch am
nächsten Morgen streiten sie schon wieder. Das war es nicht, was sich
Millionen Wähler 2009 erhofften. Die christlich-liberale Koalition
sollte die fällige Modernisierung der Gesellschaft vorantreiben. Die
Themen hießen wirtschaftliche Stabilität, niedrigere und gerechtere
Steuern, Energiesicherheit oder Bildungsbewahrung. Ein Hauch von
Freiheit umwehte den unmöglichen Wahlsieg, hatten die Demoskopen für
unsere Gesellschaft der Transferleistungsempfänger doch auf ewig
linke Mehrheiten vorhergesagt. Die Erwartungshaltung ging sogar
weiter. Bürgerlich – mit diesem Attribut schmückten sich Union und
FDP in Abgrenzung zur Linken. Doch die Werte, die den Begriff des
Bürgerlichen ausmachen, füllen viele Koalitionäre nicht mit Leben.
„Gurkentruppe“ und „Wildsau“ gehören bis heute zu ihrem Wortschatz.
Das Protzige des Westerwellschen Anfangs und das präpotente Gehabe
Anderer taten ihr verheerendes Übriges. Dies war Gift für die
Akzeptanz dieser Koalition, die sich ohnehin nie medialer Gunst
erfreuen konnte, bekennt sich nach einer aktuellen Studie doch
deutlich mehr als die Hälfte der deutschen Journalisten zu Grün und
Rot. Ihnen lieferten die Koalitionäre die Bestätigung im Wochentakt.
So kommt es, dass Schwarz-Gelb wie ein Bündnis ohne Zukunft aussieht.
Lautes Gezänk im symbolpolitischen Bereich (Frauenquote,
Betreuungsgeld, Praxisgebühr) vernebelt jeden Blick auf die ganz
ordentliche Bilanz der Regierung: Das taktische Geschick der
Kanzlerin, das vor allem aus der ihr immanenten Zögerlichkeit
resultiert, bewirkt international Stabilität, national wenigstens
stabilen Stillstand. Deutschland hat nahezu Vollbeschäftigung. Die
große Krise wird immer erwartet, kommt aber nie. Trotzdem erntet man
im bürgerlichen Lager nur noch Achselzucken, spricht man über
Schwarz-Gelb. Die Gedanken beschäftigen sich mit neuen Optionen.
Immer wieder ist da Schwarz-Grün mit den verbürgerlichten
Kuhn-und-Kretschmann-Ökos. Viele erinnern mittlerweile an die Große
Koalition, die sie vor drei Jahren nicht schnell genug loswerden
konnten. Die sieche FDP liebäugelt mit der Steinbrück-Ampel mit SPD
und Grünen. Jede dieser Optionen wäre wohl ein fälliger Neuanfang.
Hoffnungen würden ihn diesmal allerdings kaum begleiten.
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