Rheinische Post: Japans Alptraum

Ein Kommentar von Martin Kessler:

Das Atomunglück in Japan wiegt in der westlichen Welt auch deshalb
als so schwer, weil das Land zur technologischen Spitze der Welt
zählt. Inzwischen stellt sich immer klarer heraus, dass Japan zwar
über etliche Spitzenunternehmen und -wissenschaftler verfügt, aber in
der Breite noch starke Entwicklungslücken ausweist. In abgewandelter
Form trifft das auch für den Atombetreiber Tepco zu. Das Unternehmen
ist am ehesten deutschen Stadtwerken vergleichbar. Mit dem
Krisenmanagement nach der Havarie war es hoffnungslos überfordert. Es
hatte diesen Fall offenbar nie durchgespielt. Hinzu kam eine fast
kriminelle Vertuschungspolitik. Vieles wurde verharmlost,
Gegenmaßnahmen erst spät getroffen – vor allem zulasten der Anwohner
im Umkreis der Anlage. Zugleich waren die Auskünfte des Unternehmens
selten auf der Höhe der Ereignisse. Japan gehört zur westlichen Welt,
keine Frage. In vielen Bereichen agiert es allerdings eher wie ein
Entwicklungsland. Das gilt auch für Branchen, die abgeschottet vom
Weltmarkt schwere Produktivitätsrückstände aufweisen. Trotz des
schrecklichen Unglücks bleibt Japan auf die Kernkraft angewiesen,
aber auch auf Hilfe aus Europa und den USA.

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