Rheinische Post: Jeder ungesühnte Mord stört den Rechtsfrieden = Von Reinhold Michels

Wer wollte von Verfolgungs-Furor sprechen, wenn
– wie jetzt vom Simon-Wiesenthal-Institut – nach Mördern auch dann
noch gefahndet wird, wenn deren Taten Jahrzehnte zurückliegen? Nicht
die vermeintliche Unbarmherzigkeit der Verfolger untergetauchter
Nazis auf ihrer letzten Lebensstrecke müsste aufwühlen, sondern die
Gnadenlosigkeit, mit der die jetzt Verfolgten einst Menschen das
Leben nahmen. Grundsätzlich ist jeder ungesühnte Mord eine schwere
Störung des Rechtsfriedens und eine schreckliche Ungerechtigkeit
gegenüber den Opfern und deren Hinterbliebenen. Die Zeit mag Wunden
heilen. Aber das Recht zu bitten, es „mal gut sein“ zu lassen mit dem
ewigen Nachforschen nach alten Nazi-Kriminellen, hat nicht die
Gesellschaft, sondern haben allein die Angehörigen der Ermordeten. So
wie es einer der größten Fehler des Bundesverfassungsgerichts war,
das Wort „lebenslang“ bei Mord ad absurdum geführt zu haben, so wäre
es falsch, Mörder aus der NS-Zeit nur deshalb in Ruhe zu lassen, weil
sie steinalt sind. Ob die Greise noch haftfähig sind, wäre zu prüfen,
aber nicht, ob man über sie zu Gericht sitzen sollte. Das schulden
wir ihren Opfern und der Rechtsstaatlichkeit.

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621

Weitere Informationen unter:
http://