Rheinische Post: Kommentar: Der mordende Raser

Von Henning Rasche: Ferdinand von Schirach,
umtriebiger Schriftsteller und Jurist, hat jüngst in einem Interview
behauptet: „Die großen Kämpfe im Strafrecht sind ausgefochten.“ Es
ist ein Satz, der von einem erstaunlichen Desinteresse an der
Gegenwart zeugt. Es ist überdies ein Satz, der grundfalsch ist. Nur
weil Strafprozesse kein NS-Unrecht mehr aufklären müssen (und auch
das tun sie zuweilen), sind nicht auf ewig alle Fragen geklärt. Das
hat zuletzt der Bundesgerichtshof mit seinem Mord-Beschluss unter
Beweis gestellt. Zum ersten Mal ist ein Raser rechtskräftig wegen
Mordes verurteilt worden. Das ist ganz und gar nicht langweilig.
Mörder ist, wer einen anderen Menschen mit bestimmten Mitteln oder
aus bestimmten Gründen tötet. Aber zu welchem Zeitpunkt muss sich ein
Mensch bewusst für den Tod eines anderen entscheiden, um Mörder zu
werden? Wie stark muss der Wille ausgeprägt sein? Keine brandneuen,
aber gewiss spannende Fragen. Der Bundesgerichtshof sagt: Wer mit 155
Stundenkilometern in die Gegenfahrbahn fährt, dem ist das Leben
anderer egal. Er ist ein Mörder. Der Bundesgerichtshof hat richtig
entschieden.

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