Der Pulverdampf aus Paris ist verraucht, die
klare Sicht auf die Geschehnisse schmerzt. Der islamistische Terror
macht sich im Herzen Europas breit und kommt näher. Die Festnahme
eines Islamisten in Dinslaken, nur wenige Kilometer von unseren
Häusern, Wohnungen und Arbeitsplätzen entfernt, belegt dies.
Was sind die Lehren aus Paris? Europas Demokratien müssen stärker
als bisher ihre Wehrhaftigkeit gegen islamistischen Extremismus
beweisen. Wenn Mord und Terror im Namen des Islam verübt werden, dann
müssen wir uns kritisch mit ihm auseinandersetzen. Womit sonst? Dafür
braucht es den Mut aller, der Politik, der Bürger, den von uns
Medien. Dieser Mut sollte aber größer sein als ein DIN-A-4-Papier
auszudrucken, auf dem vor schwarzem Hintergrund in weißer Schrift „Je
suis Charlie“ steht.
Der Rechtsstaat muss sich zur Wehr setzen, wo sich religiöser
Eifer im Alltag eingräbt. Wenn deutsche Richter einer Muslima, die
von ihrem Mann verprügelt wurde, die Scheidung verweigern, weil diese
damit hätte rechnen müssen, dass ihr Mann sein religiös verbrieftes
„Züchtigungsrecht“ ausübt. Wenn Richter „Ehrenmorde“ aus falsch
verstandener Rücksicht auf die Religion verharmlosen. Aber wir müssen
auch fragen, warum die Schulpflicht für muslimische Schüler
ausgehebelt wird, nur weil gerade Schwimmunterricht oder ein Ausflug
auf dem Stundenplan stehen. Warum streichen öffentliche Kantinen
Schweinefleisch in vorauseilendem Religionsgehorsam von ihrem
Speisezettel? Welche Pressefreiheit hat NRW-Innenminister Ralf Jäger
im Sinn, wenn er das Zeigen von Mohammed-Karikaturen als Provokation
kritisiert, wie 2012 geschehen? Auch wir Medien müssen uns
hinterfragen. In diesen Tagen sind wir alle „Charlie“. Wir
verschicken Solidaritätsadressen durch die Welt. Aber wer hat schon
früher über die ständigen Drohungen gegen die Redaktion berichtet
oder die Kollegen dort besucht?
Wir alle müssen mutiger werden. Und die Fehlentwicklungen offen
benennen, die nur den Islamisten und ihrer hasserfüllten Propaganda
in die Hände spielen. Dafür brauchen wir eine offene Debatte über das
Zusammenleben. Wir müssen nicht nur die Frage beantworten, wie wir
Zuwanderer bestmöglich integrieren, sie ausbilden und ihnen Aufstieg,
Arbeit und Wohlstand ermöglichen. Sondern auch, wie sehr sie sich
unseren Gepflogenheiten anpassen müssen. Oder eben nicht. Welche
Werte sind es denn, die wir konkret im Alltag, am Arbeitsplatz, in
der Schule, in der Kita, als Grundlage des Miteinanders ansehen und
verteidigen wollen? Darüber braucht es einen Konsens. Nüchtern.
Sachlich. Ohne Ressentiments. Mit Respekt vor der Religion anderer.
Für diesen Prozess brauchen wir die Millionen rechtschaffener
Muslime im Land. Wenn Extremisten Tod und Terror im Namen Allahs
bringen, muss es einen Aufstand der Imame geben, die hier für die
friedliche Lesart des Koran einstehen. Das Bekenntnis zum Rechtsstaat
darf kein Lippenbekenntnis sein. Die Grenze der im Grundgesetz
verankerten Religionsfreiheit ist – das hat das
Bundesverfassungsgericht 1971 klargestellt – zugleich das
Grundgesetz. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Interpretieren
lässt sich der Artikel 1 nicht. In den Worten des früheren
Verfassungsrichters Udo di Fabio: „Religionsfreiheit ist kein
Grundrecht de luxe.“
Es gibt noch eine zweite Lehre. Unser Sicherheitsapparat muss die
Wehrhaftigkeit der Demokratie auch umsetzen können. Die
Anti-Terror-Fähigkeiten müssen auf den Prüfstand. Wenn wir nicht in
der Lage sind, 260 potenzielle Terroristen in Deutschland dauerhaft
zu überwachen, dann müssen wir die Polizei eben personell und
finanziell dazu ermächtigen. Es darf keine Abstriche geben, nur weil
der Staat die Mittel lieber in Betreuungsgeld, Mütterrenten und eine
Mindestlohn-Polizei stecken. Ein schärferes Instrumentarium zur
Aufdeckung von Terrorplänen und Aufklärung der Taten muss auch
geprüft werden. Nüchtern und sachlich, versteht sich.
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