Rheinische Post: Kommentar / E-Mail vom Chef = Von Wolfram Goertz

Es bimmelt, klingelt, brummt – alle fünf
Minuten. Der Besitzer ist begehrt oder glaubt es von sich. Trotzdem
ahnt er, dass die mobile Kommunikation von heute oft nicht ihm
persönlich gilt. Jeder bekommt auch nach Feierabend Mails aus
unerwarteter Quelle, sogar mit dringend wirkender Dimension. Und
manchmal ist es tatsächlich der Chef. Die Vermutung, dass jedes
Bimmeln bei jedem den Stress-Pegel hochtreibt, ist voreilig. Für
viele ist mediale Lebendigkeit ein organisches Grundrauschen. Ein
Biofeedback würde zeigen: Sie sind entspannt, wenn sie in der
Freizeit mailen, simsen, whatsappen. Sie wollen nur spielen und
empfinden Eustress, den guten Stress. Wer aber ohnehin eine Seele in
Alarmbereitschaft in sich trägt, wird von jedem Signalton erregt
sein, nicht nur wenn der Chef dran ist. Das bewirkt schlechten
Stress: den Distress. Solche Menschen sollten das Gerät in der
Freizeit öfter mal abschalten und auch den Chef auf Antwort warten
lassen, sofern nicht die Firma abbrennt. Keiner muss einen leeren
Akku vorschieben. Der Satz „Ich wollte ungestört sein“ ist eindeutig
– und erzieherisch.

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