Rheinische Post: Kommentar: Erdogans Geste

Die Entscheidungen der türkischen Justiz über
politische Gefangene kommen stets überraschend, ohne Vorankündigung
und ohne nachvollziehbare Erklärungen. Dieser Umstand offenbart, dass
die Türkei auf rechtsstaatliche Standards keinen Wert mehr legt.
Präsident Erdogan ist an seinem Ziel angekommen, die Türkei mit einem
autoritären Präsidialregime zu führen. Zugleich ist er in eine
Sackgasse geraten: Ein mit Staatsfinanzen erzeugter Bauboom und ein
rasch wachsendes Bruttosozialprodukt waren über Jahre eine wichtige
Säule seiner Macht. Nun bedroht die Finanzkrise den Wohlstand der
Türken und das System Erdogan.

Erdogan ist auf enge Kontakte zu Europa und zu Deutschland
angewiesen. Auch Deutschland braucht die Türkei: als Nato-Partner,
für das Flüchtlingsabkommen und als Land, das die Konflikte im Nahen
Osten fern von Europa hält. Es gibt aber keinen vernünftigen Grund,
Erdogan als Präsidenten zu stabilisieren. Die deutsche Regierung
sollte der Türkei die Hände ausstrecken und dabei Erdogan unter Druck
setzen, Rechtsstaatlichkeit in seinem Land zu schaffen.

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